Das Deutschlandticket – komplett verwässert

Die Finanzierung des Deutschlandtickets steht in den Sternen. Konsequenz – es soll deutlich teurer werden. Dass dabei die soziale Komponente dieses Tickets verschwindet, stört offenbar niemanden.

Nicht mehr für sozial schwache Mitbürger... Foto: MissyWegner / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es war, frei nach Enzensberger, ein „kurzer Sommer der Anarchie“. Die Einführung des Deutschlandtickets ermöglichte es jedem und jeder, im Sommer quer durch Deutschland zu reisen, Freunde und Verwandte zu besuchen, kurz, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Doch das war dann auch schon zuviel des Guten und im Jahr 2 des Deutschlandtickets kostete dieses plötzlich 49 Euro im Monat (was für sozial schwache Menschen bereits zuviel ist) und nun soll es noch einmal teurer werden, weil jeder der 60 Verkehrsverbünde in Deutschland sein eigenes Ding machen will.

Die Zahl der Berufspendler, die dieses Ticket nutzen, ist überschaubar. Experten schätzen, dass maximal 400.000 bis 500.000 Berufspendler dank dieses Tickets vom Auto auf die Schiene umgestiegen sind. Da die Monatsabos in einigen Verkehrsverbünden aber auch nicht teurer sind als das Deutschlandticket, lohnt es oft nicht, ein obligatorisches Abonnement für dieses Ticket abzuschließen. Und so versandet nach und nach eine ursprünglich hervorragende Idee in den Meandern der Verwaltung. Auf der Strecke bleiben, wie so häufig, die sozial schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, die nur einen Sommer lang das Gefühl haben durften, dass man sie als vollwertige Mitglieder dieser Gesellschaft betrachtet.

Wenn die Pläne umgesetzt werden und das Deutschlandticket teurer wird, dann ist es nur noch ein weiteres Angebot für diejenigen, die in den Speckgürteln der deutschen Städte leben und keine Lust lehr haben, für ihren SUV einen Parkplatz in den Geschäftszentren zu suchen. Das ist schön für die Umwelt, betrifft in der Regel aber in erster Linie diejenigen, die keine besonderen Angebote brauchen, da sie ohnehin zu den Besserverdienenden gehören.

„Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt“, sagte der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann und das stimmt natürlich. Anreize für Pendler zwischen Mittelhanglage in Bad Homburg und Frankfurt-Niederad muss man eigentlich nicht schaffen, dafür ist es aber sehr frustrierend für jeden sozial schwachen Mitbürger, dieses Angebot nicht mehr nutzen zu können. So sagen Experten dann für den Fall einer Preiserhöhung auch einen Rückgang der Nutzer dieses Tickets von rund 10 Millionen auf 6 oder 7 Millionen voraus, was damit auch wieder einen Teil der Vorteile für die Umwelt dieser einkassiert.

Bund und Länder konnten sich noch nicht auf ein Konzept verständigen und bis auf die recht allgemeine Aussage, dass es das Deutschlandticket auch 2024 geben soll, ist noch nichts entschieden. Nun sollen die Verkehrsminister der Länder Konzepte erarbeiten, wie eine Finanzierung zu stemmen sei. Dabei läuft alles auf eine Preiserhöhung hinaus, wobei ein Preis von 59 Euro im Monat im Gespräch ist. Was sich da ankündigt, ist vom sozialen Standpunkt aus ein Schlag ins Wasser.

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