Wie Riccardo Ehrman den Lauf der Geschichte veränderte

Der italienische Journalist Riccardo Ehrman war derjenige, der dem SED-Pressesprecher Günter Schabowski die Frage stellte, deren Antwort die Geschichte prägen sollte.

Mit seinem "äh, ab sofort, unverzüglich" schrieb Günter Schabowski (2. von rechts auf dem Podium) unfreiwillig Geschichte. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1109-030 / Lehmann, Thomas / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Es war der 9. November 1989. Die DDR zeigte massive Auflösungserscheinungen, die Stimmung war aufgeheizt und jeder spürte, dass irgendetwas passieren würde. Nur was? Bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig und anderen Städten waren die DDR-Bürgerinnen und –Bürger bereits mehrfach nur knapp an einer Konfrontation mit den DDR-Soldaten vorbei geschrammt und jederzeit konnte das Pulverfass explodieren. Bis zu diesem 9. November 1989.

Doch was war genau an diesem Tag geschehen? Am Morgen des 9. November 1989 trafen sich mehrere Offiziere der NVA im Innenministerium in Ost-Berlin, um für die SED eine neue Ausreiseregelung zu entwerfen. Dabei ging es allerdings nicht etwa um den freien Personenverkehr zwischen beiden deutschen Staaten, sondern um eine Regelung für die Ausreise von DDR-Bürgern ohne die Möglichkeit einer Rückkehr. Nachdem Zehntausende DDR-Bürger über Ungarn, die Tschechische Republik und Österreich in den Westen geflohen waren, wollte die SED lediglich diese „wilde“ Auswanderung stoppen – zu keinem Zeitpunkt war eine echte Öffnung der Grenzen geplant. Doch das, was am Nachmittag dem SED-Pressesprecher Günter Schabowski in die Hand gedrückt war, gab diesen Umstand nicht deutlich wieder.

Um 18:57 Uhr am 9. November 1989 war die Pressekonferenz von Günter Schabowski fast beendet und die internationale Presse staunte nicht schlecht, dass Schabowski von einer neuen Ausreiseregelung für DDR-Bürger gesprochen hatte. Der italienische Journalist Riccardo Ehrman stand auf und fragte, ab wann diese Regelung gelten solle. Schabowski blätterte etwas verunsichert in seinen Unterlagen und sagte dann: „ Das tritt nach meiner Kenntnis, äh, ist das sofort, unverzüglich“. 60 Sekunden später liefen die Drähte der Presseagenturen mit der Sensationsmeldung heiß: „Die DDR öffnet ihre Grenzen, ab sofort können DDR-Bürger in den Westen reisen.“ Und wenige Augenblicke später stürmten die Menschen in Ost-Berlin und in Wet-Berlin an die Grenzübergänge, wo noch einmal alles hätte scheitern können.

Die Grenzsoldaten der NVA standen völlig alleine an den Grenzübergängen, sie hatten weder Befehle noch Informationen. Wäre nur ein Grenzsoldat durchgedreht und hätte das Feuer auf die Menschen eröffnet, der Traum von der deutschen Einheit wäre in einem Blutbad ertrunken. Die deutsche Einheit wäre ohne die mutige Entscheidung der Grenzsoldaten, die Schlagbäume zu heben, nicht möglich gewesen.

Jetzt bleibt aber noch eine große Aufgabe – blühende Landschaften gibt es im Osten der Republik immer noch nicht, dafür jede Menge unzufriedener AfD-Wähler. Die Lebensverhältnisse zwischen dem Westen und dem Osten Deutschlands müssen schneller angepasst werden. Aber eine Generation wird es mindestens noch dauern, bevor diese Vereinigung wirklich vollzogen ist.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste