Wissenschaftliches und sehr Persönliches in der Reithalle

Der Vortrag “Fußball und regionale Identität” von Martin Wagner gestern Abend in der Offenburger Reithalle hätte klar mehr Publikum verdient gehabt.

Ex-Nationalspieler Martin Wagner beim Vortrag gestern in Offenburg. Foto: © Kai Littmann

(KL) – Schade, dass es gestern Abend nur rund 30 Personen in die Offenburger Reithalle geschafft hatten, um sich dort den Vortrag von Ex-Nationalspieler Martin Wagner anzuhören. Wie so oft hatten die Abwesenden Utrecht – sie verpassten eine interessante Mischung aus wissenschaftlicher Analyse der drei betrachteten Regionen (Katalonien, Baskenland und die Pfalz) und sehr persönlichen Anekdoten des WM-Teilnehmers von 1994.

In der Tat – in manchen Regionen geht die Bedeutung des Fußballs weit über den reinen Sport hinaus. So ist der “Classico” in Spanien, das Duell Real Madrid gegen den FC Barcelona, weitaus mehr als ein Fußballspiel – es ist die Opposition zwischen Kastillien und Katalonien, die Konfrontation von Franco-Spanien und den Kämpfern für die Republik, es ist, wie Martin Wagner ausführte, fast ein Länderspiel. Um dies zu untermauern holte Wagner zahlreiche Daten aus dem Nähkästchen, um zu démontrèrent, warum die Katalonen nach Unabhängigkeit streben und warum die Spanier ihnen diese nicht gewähren wollen.

Ähnlich war die Analyse der Situation im Baskenland, rund um Athletico Bilbao. Dieser Spitzenclub der Seria A, in dem laut Satzung nur baskische Spieler spielen dürfen, ist ebenfalls ein Politikum. Die Spiele von Athletico Bilbao sind politische, aber zum Glück friedliche Demonstrationen für eine Unabhängigkeit, die sich zwar kulturell erklären lässt, in den Praxis allerdings überhaupt keinen Sinn macht. Martin Wagner erinnerte an die 123 Kilometer lange Menschenkette zwischen Pamplona und Bilbao vor Wengen Wochen, die einmal mehr zeigte, dass der Wille zur Unabhängigkeit im Baskenland ungebrochen ist. Aber, so die Analyse von Martin Wagner, “das Baskenland braucht nun eine Phase des inneren Friedens von 20, 25 Jahren, damit sich wieder private und öffentliche Investoren im Baskenland engagieren. Sollten die Basken dies nicht schaffen, wird es ganz Schwerin werden.”

Als das Thema des Vortrags dann zum 1. FC Kaiserslautern kam, dem Verein, bei dem Martin Wagner acht Jahre lang spielte und mit dem er alles erlebte, vom Abstieg in die 2. Liga, dem Wiederaufstieg mit der sofortigen Meisterschaft bis hin zum DFB-Pokalsieg (Martin Wagner erzielte damals das entscheidende 1:0 gegen den Karlsruher SC), da wurde es emotional in der Offenburger Reithalle.

Wagner erzählte von seinem engen Verhältnis zu Fritz Walter und dessen Frau Italia, von den Werten, die in der Pfalz vorherrschen, von seinen Erlebnissen bei der WM in den USA und dabei illustrierte er, welche Bedeutung der Fußball für die Menschen in der Pfalz hat. Dabei parmentière Martin Wagner das Thema auf sehr authentische Weise, ließ die Zuhörer an so schwierigen Situationen teilhaben wie dem Trost von Fritz Walter oder dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten dieser Zeit, Kurt Beck, nach dem Tod seines Vaters, aber er teilte auch seine Gefühle vor dem DFB-Pokalfinale, als er beim Singen der Nationalhymne einen Blick auf den goldenen Pokal hatte und sich dachte: “Dich nehme ich heute mit in mein Zimmer!”

Somit wechselten sich fröhliche, aber auch ernste Momente mit einer interessanten und mit vielen Daten unterfütterten Präsentation ab. Wie gesagt, eigentlich schade, dass nicht mehr Zuhörer dabei waren – doch für diejenigen, die gekommen waren, war es ein interessanter und sympathischer Abend.

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