Zum Tod von Christo

Der bulgarisch-amerikanische Künstler Christo ist wenige Tage vor seinem 85. Geburtstag gestorben. Zusammen mit seiner Frau Jeanne-Claude irritierte er die Welt. Respekt.

Durch die Verhüllung des Reichstags wird Christo den Deutschen immer in Erinnerung bleiben. Foto: Oscar Wagenmans / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Christo und Jeanne-Claude werden den Deutschen immer in Erinnerung bleiben – mit der Verhüllung des Reichstags hatten sie ein Kunstwerk geschaffen, das polarisierte, gefiel, aufregte und irritierte, und genau das soll Kunst ja auch tun. Mit seinen monumentalen Werken hinterfragte Christo unseren Blick auf die Dinge und auf die Welt und bot immer wieder ganz neue Perspektiven und Denkanstöße an. Mit Christo ist einer der bedeutendsten Vertreter des „Neuen Realismus“ gestorben, doch seine Werke werden weiterleben.

Die Verhüllung des Reichstags zwang uns alle, einen ganz neuen Blick auf dieses Gebäude zu werfen, in dem so viel deutsche Geschichte geschrieben wurde. Verhüllt verbarg dieses Gebäude seine eigene Geschichte und eröffnete plötzlich einen ganz neuen Blick auf die Architektur, wobei die Verhüllung gleichzeitig auch Fragen über die Funktion dieses Gebäudes aufwarf.

Doch auch andere Mega-Projekte von Christo und der bereits 2009 verstorbenen Jeanne-Claude werden im kollektiven Kunstgedächtnis bleiben, wie die aufgespannten gelben und blauen Regenschirme durch ganz Kalifornien, die ihrerseits einen neuen Blick auf die Natur Kaliforniens erzwangen, auf die Frage, wie wir mit der Natur umgehen und wie sich Kunst zur Natur positioniert.

Oder denken wir an die seltsame „Mastaba“ in London, eine schwimmende Pyramide aus Ölfässern, ein Mausoleum für den galoppierenden Kapitalismus, der zwar beeindruckend und fast hübsch daherkommt, aber am Ende doch nur das ist, was er ist – ein allesfressender Moloch, der selbst hübsche Innenstadtteiche am Ende dominiert.

Auch in Frankreich erinnert man sich des genialen Künstlerpaars – 1984 durften die beiden nach neun (!) Jahren der Verhandlungen die berühmte Brücke „Pont Neuf“ in Paris verhüllen, was einen ähnlichen Effekt erzeugte wie die Verhüllung des Reichstags in Berlin. 3 Millionen Besucher drängten sich vor der „Pont Neuf“ und erhaschten so einen ganz neuen Blick auf die französische Hauptstadt, auf die Rolle der urbanen Architektur, die in ihrer ganzen Schönheit und Funktionalität unter den Leinwandbahnen der beiden Künstler verschwand. Zwar wusste man, was sich unter dieser Verhüllung verbarg, aber dennoch – der Blick auf die Hauptstadt war, wie in Berlin, ein ganz anderer.

Und auch am Oberrhein wird man Christo und Jeanne-Claude nicht vergessen. 1998 verhüllten die beiden im Park der Basel-Riehener „Fondation Beyeler“ 178 Bäume mit insgesamt 55.000 m² silber-grauen Polyestergewebes und 23 Kilometern Seilen. Mitten im Winter zogen die beiden diese Bäume einzeln an und gaben ihnen trotz des kühlen Materials ein wenig Wärme mit in den Winter. Natürlich nicht ohne unseren Blick auf diese wunderschöne Parkanlage nachhaltig zu irritieren.

Christo und Jeanne-Claude gingen einen ganz eigenen Weg durch den Kunstbetrieb, finanzierten ihre Arbeit durch den Verkauf ihrer Werke (und teilweise, der verwendeten Materialien) und hingen daher nicht von der Finanzkraft des Kunstmarkts ab. Sie wurden geliebt, sie wurden verdammt, doch sie sorgten dafür, dass wie alle die Welt mit anderen Augen sahen und uns Fragen stellten, die wir uns ohne diese beiden genialen Künstler nie gestellt hätten.

Und so sind die beiden am gleichen Tag (13. Juni 1935) geborenen Künstler nun wieder vereint. Ob sie wohl schon planen, den Himmel zu verhüllen?

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