(4) Ist das Verpackung oder kann das weg?

Es waren nur sechzehn Tage, dann war die Kunst schon wieder weg. Oder ist sie jetzt wieder da? Ist die Verpackung die Kunst oder das Verpackte unter der Verpackung? Oder beides zugleich? Mit fünf Fotos auf der Spur des Ewigen im Vergänglichen.

Verpackungsmüll - das Wortspiel um die Verpackung des Triumphbogens bedurfte einer Bebilderung, und sie fand sich umgehend an der Avenue Foch. Foto: © Michael Magercord

(Michael Magercord) – Christo und Jeanne-Claude verfolgten dieses Projekt seit 1962, nun wurde es wahr. Und? Die Künstler haben immer gesagt, ihre Werke hätten nichts zu bedeuten, seien flüchtige Erscheinungen, gedacht nur für den Augenblick ihrer Anschauung. Aber genügt das dem Betrachter? Rührt sich da in ihm nicht der Wunsch nach dem Ewigen im Flüchtigen, dem Festhalten des Momentes. Was tun? Mit einem Foto Gedanken lenken – der Versuch einer Enthüllung.

Ich gestehe: Es lag einfach nahe, das Spiel mit dem Bild, das im Grunde eines mit Worten ist, in diesem Falle mit dem Wort Verpackung. Ich gebe weiterhin zu: Ich hatte mir die Inszenierung dieses Bildes schon ausgedacht, bevor ich das Kunstwerk überhaupt zu Gesicht bekam. Alles aus der Absicht, zwei Arten der Verpackung in ein einziges Bild setzen. Und ich offenbare: Es war ein leichtes, sogleich das Szenenbild zur Absicht vor Ort zu finden. Mülleimer, die ja heute nicht viel mehr sind als Müllsäcke, die in mal mehr, mal weniger kunstvollen Gestellen einhängen, fanden sich an jedem spitzen Straßenwinkel vom Étoile in Paris.

Absicht erfüllt, mission accomplie. Schön, oder? Aber ist es auch gerechtfertigt, mit vorgefertigten Vergleichen anzurücken und Dinge in Beziehung zu setzen, die erst einmal keine haben? Und damit einen Zusammenhang zwischen ihnen herzustellen und quasi eine Gleichstellung zu unterstellen? Die 25.000 Quadratmeter recycelbaren Polypropylen-Gewebes und 3.000 Meter rotes Seils mit der einstigen Umverpackung aus PVC, Styropor, Blech und Aluminium in der transparenten Tonne?

Bei den Verpackungen im Sack handelt es sich um Abfall. Sie sind Spuren des Gebrauchs, des Verbrauchs, des vereinfachten Konsums. Und oft war das Zeug, was da einmal drin war, weniger wert, als das, was nun übrig bleibt. Etwa diese Plastikflasche, worin einfaches Tafelwasser aus der Leitung war. So viel Rohstoff für so wenig Inhaltsstoff. Und trotzdem scheint es, dass für den wenigen Inhalt ein Preis erzielt wurde, der aus beidem, Inhalt und Verpackung, ein gewinnbringendes Produkt werden ließ. Die übriggebliebene Verpackung im Müllsack enthüllt in ihrem entleerten Zustand den wahren Charakter seines Inhalts als Ware.

Und die Verpackung, die den Triumphbogen umhüllt? Worin besteht der Wert des Inhalts eines Kunstwerkes? Der kann sich bei handelbaren Kunstobjekten ebenfalls durch den so genannten „Markt“ bestimmen, doch der scheidet für den Triumphbogen als Wertbemessungsinstrument aus. Und damit ist ja wohl alles gesagt über die Frage, was die beiden Verpackungsarten miteinander zu tun haben, nämlich nichts. Müll das eine, Kunst das andere – also bitte, wie kann man bloß auf die Idee kommen, beides gleichwertig nebeneinander auf einem Bild darstellen zu wollen?

Ja, ich gestehe: Ich habe tatsächlich gedacht, dass es bei beiden Arten der Verpackung um dasselbe geht, dass nämlich sowohl bei den oft ziemlich wertlosen Produkten als auch bei der Verpackungskunst nicht der Gegenstand unter der Hülle das Wichtigste ist, sondern die Verpackung. Ich gebe weiterhin zu: Ich kann mich selbst nach dem Blick auf das Kunstwerk nicht von der Vorstellung freimachen, dass die psychologische Bewältigungsstrategie des modernen Flüchtigkeitsgefühls in der Warenwelt und der Welt der Kunst durchaus Ähnlichkeiten aufweist. Und ich offenbare: Ich kann mir beim Anblick dieses Fotos immer noch keine passendere Bebilderung für das Wortspiel vorstellen, das doch eigentlich hinter dem Spiel auf dem Bild steht: Warenfetischismus oder wahrer Fetischismus…

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