Alles andere als eine „Quatschbude“…

Die deutsch-französische parlamentarische Versammlung, auch „Deutsch-Französisches Parlament“ genannt, hat sich zum dritten Mal getroffen – in Straßburg. Wo auch sonst?

Gestern begann die 3. Sitzung des neuen deutsch-französischen Parlaments in Strasbourg. Vielversprechend! Foto: Courtesy Sylvain Waserman

(KL) – Die meisten derjenigen, die beim Begriff „deutsch-französische parlamentarische Versammlung“ müde abwinken, wissen nicht, was dieses einzigartige Parlament tatsächlich tut. Es handelt sich weder um eine Wunderkiste, noch um eine „Quatschbude“, sondern um ein Instrument, mit dem die deutsch-französische Zusammenarbeit enorm verbessert und damit ein europäisches Beispiel gesetzt werden kann. Dass dieses dritte Treffen in Straßburg stattfand, war kein Zufall. Denn hier gehört dieses Parlament auch hin.

Wie wichtig die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa ist, das erkennt man schon daran, dass 35 % der Europäerinnen und Europäer in Grenzregionen leben. Das bedeutet, dass substantielle Fortschritte in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland ein Modell für ganz Europa führen können.

Doch Vorsicht – dieses Parlament ist kein Selbstläufer, das durch seine nackte Existenz die deutsch-französische Zusammenarbeit in neue Dimensionen bringt. Es handelt sich vielmehr um ein Instrument, mit dem solche Verbesserungen eingeleitet und durchgeführt werden können, was allerdings eine entsprechende Motivation und Kompetenz seitens derjenigen erfordert, die dieses Instrument zu bedienen haben. Und das sind jeweils 50 deutsche und 50 französische Abgeordnete, die in ihrer Zusammensetzung möglichst genau die Kräfteverhältnisse in der Assemblée Nationale und dem Bundestag darstellen.

Natürlich soll dieses Parlament politisch tätig werden – bei dieser dritten Sitzung gestern und heute geht es unter anderem um die Verteidigung. Die Abgeordneten aus beiden Ländern versuchen mit den beiden Ministerinnen der Verteidigung Florence Parly und Annegret Kramp-Karrenbauer Ansätze für eine gemeinsame deutsch-französische und europäische Verteidigungspolitik zu zu finden.

Dieses Parlament wird also nach gemeinsamen Politikprojekten suchen und auf Grundlage der weiteren neuen Instrumente für diese Zusammenarbeit, also dem Aachener Vertrag, dem Deutsch-Französischen Ausschuss (trotz des knochentrockenen Namens ist das die spannende Einheit, die sich um die konkrete Projektarbeit zwischen beiden Ländern kümmert), dem Deutsch-Französischen Sekretariat, das in Kehl angesiedelt werden wird, die Kooperation massiv anschieben können.

Gestern trafen sich die Abgeordneten zunächst im Palast des Präfekten (angesichts des Umstands, dass diese Bezeichnung auch aus einem Asterix-Heft stammen könnte, sollte man sich mal die Frage stellen, wie zeitgemäß eigentlich das Prunk- und Protzgehabe der Pariser Statthalter in der Provinz ist…), bevor sie dann ihre Tagungen im Europaparlament fortführten. Erstes Aha-Erlebnis: Straßburg bietet die perfekte Infrastruktur für dieses Parlament, das seinen ständigen Sitz am besten am Oberrhein ansiedeln sollte. Zweite Erkenntnis: Schon bei diesem dritten Treffen ist die „Kennenlernphase“ eigentlich schon abgeschlossen, die Damen und Herren sind bereits bei der Arbeit.

Unter dem Vorsitz der Präsidenten beider Volksvertretungen, Richard Ferrand und Wolfgang Schäuble, wird nun weiter an der Entwicklung dieser Zusammenarbeit gezimmert. Man muss jetzt den Akteuren tatsächlich auch etwas Zeit lassen. Innerhalb eines Jahres wurde eine Reihe solcher Instrumente geschaffen, die es noch nie zuvor in dieser Form zwischen zwei Ländern Europas gab und selbst beim besten Willen zum Fortschritt werden die deutsch-französischen Parlamentarier erst mit der Zeit diese Instrumente richtig zu nutzen verstehen. Da diese Instrumente aber nur so gut sind wie die Ergebnisse, die sie vor Ort zeitigen, ist es wichtig, dass in den nächsten Jahren auch der Austausch mit der Zivilgesellschaft deutlich gestärkt wird, alleine schon, damit die Parlamentarier eine Rückmeldung aus der realen Welt erhalten.

Krempeln Sie die Ärmel hoch, die Damen und Herren Abgeordneten, Sie haben jetzt die Instrumente in der Hand, mit denen Sie europäische Geschichte schreiben können! Der gute Wille und auch die Kompetenz ist in diesem Gremium vertreten – an die Arbeit!

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