Am deutsch-französischen Wesen muss Europa genesen

Nicht weniger als die Zukunft Europas hängt vom neuen „Elysee-Vertrag 2“ ab. Gelingt die geplante deutsch-französische Integration, klappt es auch mit Europa.

Wenn sich Macron und Merkel nicht verstehen, wird es nichts mit Europa Foto: ActuaLitté / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Das „Wesen“ einer Nation zu definieren, ist richtig schwer. Denn eigentlich gibt es so etwas gar nicht. In Europa leben wir vor allem in Regionen und die Menschen sind Lombarden, Bayern, Elsässer oder Flamen, bevor sie Italiener, Deutsche, Franzosen oder Holländer sind. Doch angesichts eines immer weiter in die Knie gehenden institutionellen Europas gibt es nur noch einen Königsweg hin zu einem geeinten Europa – die deutsch-französische Zusammenarbeit. Doch kann diese wirklich gelingen?

Die Parlamentariergruppe, bestehend aus jeweils 9 Abgeordneten aus Frankreich und Deutschland, die mit der Aufgabe betraut wurde, den „Elysee-Vertrag 2“ auszuarbeiten, hat eine Mission vor der Nase, deren Tragweite vielleicht noch gar nicht jedem bewusst ist. Denn hier geht es nicht nur um die Aktualisierung eines alten Vertragswerks, sondern um die grundsätzliche Frage, ob Europa, so wie wir es kennen, überhaupt weiter funktionieren kann.

Doch was ist das deutsch-französische Wesen? Richtig, das gibt es nicht. Und genau das macht die Aufgabe der Parlamentarier so schwierig. Zwei völlig unterschiedliche Politiksysteme, zwei völlig unterschiedliche Kulturen, zwei Völker, deren bewegte Vergangenheit mehr Trennendes als Verbindendes hat – daraus den „Motor Europas“ zu basteln, das wird keine leichte Aufgabe. Und dennoch wird sie gelingen müssen, wenn wir nicht zusehen wollen, wie der Traum von Europa von den Realitäten einer sich schnell ändernden Welt gefressen werden soll.

Paris und Berlin brauchen sich gegenseitig. Denn natürlich werden nicht Malta und Slowenien Europa retten, sondern wenn, dann Frankreich und Deutschland, die so gute Konzepte vorlegen müssen, dass der Rest Europas diese annehmen und mittragen kann.

Die „Gemeinsame Erklärung“, die am 22. Januar im deutschen Bundestag und der französischen Assemblée Nationale beschlossen wurde, zeichnet den Weg auf. Die Ansätze zu einer tiefen Integration der beiden Nachbarländer, speziell in den Grenzregionen, lesen sich wunderbar. Allerdings wird man darauf achten müssen, dass mit diesen Zielen realistisch umgegangen wird. So brauchen wir schleunigst eine Bestandsaufnahme aller Stellen in der deutsch-französischen Grenzregion, damit man einen Überblick erhält, wie man diese Organisationen so umstrukturieren kann, dass sie tatsächlich in der Lage sind, eines Tages staatliche und grenzüberschreitende Aufgaben zu übernehmen, die bislang von den bestehenden Strukturen in beiden Ländern ausgeübt werden. So, wie es in der „Gemeinsamen Erklärung“ steht, nämlich dass solche Aufgaben und Kompetenzen an die Eurodistrikte übertragen werden sollen, ist utopisch – bis auf den Eurodistrikt PAMINA ist heute keiner der deutsch-französischen Eurodistrikte in der Lage, solche staatlichen Aufgaben zu übernehmen.

Die Arbeit der 18 Parlamentarier muss nach Kräften und mit maximaler Offenheit unterstützt werden. Denn ebenso wie Emmanuel Macron ohne Berlin keine einzige europäische Reform auf den Weg bringen kann, genauso kann Angela Merkel nur dann europäisch wirken, wenn sie das gemeinsam mit Paris tut. Insofern ist „Elysee 2“ zum Erfolg verdammt und, um es mit Angela Merkel zu sagen, „alternativlos“.

Und so wäre es wünschenswert, wenn die Arbeit dieser Parlamentariergruppe in größtmöglicher Transparenz erfolgt und von vornherein die Möglichkeit vorsieht, die Stimme von Experten aus der Zivilgesellschaft anzuhören und einzubinden. Denn wenn diejenigen, die es in den letzten Jahrzehnten nicht geschafft haben, Europa und die deutsch-französische Zusammenarbeit voranzubringen, nun weiter untereinander und abgeschottet diskutieren, dann kann es nicht klappen. Der politische Wille zu mehr Europa ist da – und „Elysee 2“ bietet eine einmalige Chance, einen entscheidenden Schritt nach vorne zu machen. Da wäre es schön, wenn dieser Schritt tatsächlich stattfinden würde und nicht im Dickicht des politischen Protokolls versandet.

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