Ami go home?

In den 60er Jahren gab es „Ami go home“-Rufe bei den Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg. In den 80er Jahren gab es sie gegen die Pershing II-Stationierung. Jetzt sind die Beziehungen mit den USA auf dem Tiefpunkt angekommen.

Sollte man US-Botschafter Richard Grenell nach Hause schicken? Foto: Dedeche / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Angela Merkel hatte schon Recht, als sie vor wenigen Monaten verkündete, dass man sich nicht mehr auf die USA als Weltordnungsmacht verlassen könne. Diese Sichtweise bestätigt sich seit dem Amtsantritt von Donald Trump fast wöchentlich. Die Spannungen mit Nordkorea, die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran, der Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem, der Handelskrieg mit Europa – all das deutet darauf hin, dass es sich die US-Administration zur Aufgabe gemacht hat, amerikanische Alleingänge zu inszenieren. Dahinter steckt ein Kalkül. Dieses Kalkül plapperte der amerikanische Botschafter in Deutschland Richard Grenell bei einem Interview mit der ultrarechten Plattform „Breitbart“ heraus. Den USA geht es darum, Europa aus dem internationalen Rennen zu werfen, um damit seine Devise „America first“ zu stärken. Für seine Äußerungen sollte man Richard Grenell die Akkreditierung entziehen.

Vielleicht sollte Richard Grenell noch einmal seine Jobbeschreibung durchlesen. Zu seinem Erstaunen wird er dort nämlich nichts finden, was ihn zur Einmischung in innere Angelegenheiten seines Gastlandes und der Europäischen Union ermuntert, im Gegenteil. Ein Botschafter ist prinzipiell zur Neutralität gegenüber der Politik des Gastlandes angehalten. Das ist nun mal das Wesen der Diplomatie. Doch dieses Grundprinzip des diplomatischen Austauschs setzt Grenell kurzerhand außer Kraft, als er in seinem Interview mit „Breitbart“ von der Renaissance der Konservativen in Europa schwärmte, womit er die nationalistischen Strömungen meinte, die sich mittlerweile von Ungarn bis Italien erstrecken. Und diese konservativen Kräfte, so Grenell, wolle er „nach Kräften unterstützen“. Dabei ist die Wortwahl Grenells interessant. Er benutzte nämlich den Ausdruck „empower“, der eine sehr konkrete Unterstützung meint, also weitaus mehr als ideelle Sympathie. Wobei selbst eine solche Sympathiebekundung alles andere als korrekt wäre.

Da sich Grenell im gleichen Interview als „Fan“ des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz outete („ein Rockstar“), ist klar, dass er mit „konservativen Kräften“ die neonationalistischen Bewegungen meint, die sich wie ein Krebsgeschwür durch Europa fressen und das großartigste Friedensprojekt in der europäischen Geschichte ernsthaft in Frage stellen. Und diese möchte Herr Grenell also „empowern“. Aha. Nur ist das nicht seine Aufgabe und wir wollen das auch gar nicht. Da nützt es wenig, dass Herr Grenell am nächsten Tag bereits einige Krokodilstränen vergoss, der Weltpresse mitteilte, wie sehr er unter den Reaktionen auf seine Ausfälle leide und versuchte, zurück zu rudern.

Diese Art der Interpretation des Botschaftspostens passt wie die Faust aufs Auge der Trump-Administration. Was diese beabsichtigt, ist klar – die USA würden von einer Spaltung und damit einhergehenden Schwächung Europas profitieren. Das zeigt sich bereits in der amerikanischen Haltung zum „Brexit“, den Washington lauthals begrüßt. Alle Experten sind sich einig, dass der „Brexit“ nicht nur die britische, sondern die gesamte europäische Wirtschaft schwächen wird. Und jede weitere Schwächung der Europäischen Union würde sich positiv auf das US-Wachstum und den Arbeitsmarkt in den USA auswirken.

Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht – wir befinden uns tatsächlich in einem Handelskrieg mit den USA. Und diesen führen die USA mit unsauberen Mitteln. Das „empowern“ neonationalistischer Kräfte in Europa stellt einen Angriff auf die Souveränität der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten dar und man darf jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Herrn Richard Grenell gebührt also der gleiche Ausruf wie bei den Demonstrationen in den 60er und 80er Jahren: „Ami go home!“

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