Geheuchelte Einigkeit

Deutschland, Frankreich und Polen üben in Berlin den öffentlichen Schulterschluss. Nur – so uneinig waren Paris und Berlin schon lange nicht mehr. But the show must go on.

Drei, die es in die Geschichtsbücher schaffen werden. Allerdings nicht mit den Einträgen, die sie gerne über sich lesen würden. Foto: Dati Bendo / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Der eine weigert sich, der Ukraine die Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen, der andere würde am liebsten mit Bodentruppen der NATO Wladimir Putin zeigen, was eine Harke ist und während sie alle davon reden, dass sie eigentlich Frieden wollen, ist der nächste Schritt den Weltmarkt von Waffen leerzukaufen. Ihre strategischen Ziele reichen von „Russland darf den Krieg nicht gewinnen“ bis „Putin in die Knie zwingen“, was nicht dasselbe ist und es wird deutlich, dass Macron und Scholz keine Ahnung haben, wie es in der Ukraine weitergehen soll – das aber mit großer Überzeugung. Und in all ihrer Plan- und Hilflosigkeit wird immer deutlicher, dass es zwischen Berlin und Paris keinerlei klare Linie es mehr gibt.

Gewiss, von allen Seiten versucht man zu beschwichtigen. Stéphane Séjourné, Frankreichs jugendlicher Außenminister, sagt, dass die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland super läuft, „in 80 % der Themen“. Nur – die Weltpolitik fällt wohl in die 20 % der Themen, in denen zwischen beiden Ländern ganz unterschiedliche Positionen vertreten werden.

Das immer noch augenfälligste Beispiel ist die Frage der Truppenentsendung in die Ukraine, die Emmanuel Macron inzwischen jeden zweiten Tag fordert. Meint der Mann, dass seine 70.000 unter Waffen stehenden Soldaten an der ukrainischen Front länger als zwei Wochen überleben? Und denkt Macron, dass sich Putin noch lange die inzwischen täglichen ukrainischen Angriffe tief auf russischem Gebiet lange anschauen wird, ohne selbst die nächste Eskalationsstufe zu zünden? Und meint Scholz, dass dieser Krieg schneller zu Ende geht, wenn man der Ukraine bestimmte Waffensysteme zur Verfügung stellt, andere aber nicht? Einig ist man sich in Paris und Berlin allerdings darüber, dass man unbegrenzt Milliarden und weitere Waffen in die Ukraine pumpen muss. Sprich: Dass man die Eskalation dieses Krieges weitertreiben soll.

Zwei Dinge machen diese deutsch-französischen Dissonanzen besonders bedenklich. Zum einen, dass die jeweiligen Akteure nicht müde werden zu betonen, wie toll sie sich doch verstehen und dass sie die ganze katastrophale Lage zusammen schon managen werden und zum anderen, dass Perspektiven wie „Verhandlungen“ oder gar „Frieden“ nur Randthemen sind, mit denen sich niemand ernsthaft beschäftigt.

Und so taumeln Deutschland und Frankreich gemeinsam, mit verschiedenen Strategien und mächtig kriegerischen Sprüchen, immer weiter in Richtung III. Weltkrieg. Der eine will halt seine jungen Landsleute an der Front abschlachten lassen, der andere hätte am liebsten, dass der III. Weltkrieg ohne deutsche Soldaten abläuft.

Von gegenseitigem Verständnis kann keine Rede mehr sein, von gemeinsamen Zielen auch nicht, von einer europäischen Strategie sowieso nicht. Der deutsch-französische „Motor Europas“ stottert nicht, er steht.

Dass man nun zusammen mit Polen überall auf der Welt Waffen für die Ukraine kaufen will, geschenkt. Mit welchem Geld denn? Und was soll es bringen? Seit zwei Jahren und nach rund 200 Milliarden (!) Euro Hilfen für die Ukraine zeichnet sich nicht etwa ein militärischer Erfolg ab, sondern die russische Armee ist gerade dabei, die ukrainische Verteidigung zu durchlöchern und die täglichen Angriffe auf russisches Territorium werden die Lage nicht etwa entspannen, sondern natürlich noch heftigere Gegenreaktionen auslösen.

Ach ja, bei noch etwas sind sich Paris und Berlin einig, auch, wenn man öffentlich nicht darüber spricht: Man macht weiterhin intensiv Geschäfte mit Putins Russland, man füllt, unter Umgehung der eigenen Sanktionen, weiterhin Putins Kriegskasse und daran wird niemand etwas ändern.

Doch könnte es sein, dass sich zumindest Emmanuel Macron irrt. Er wäre gerne vom Elysee-Palast auch ein richtiger, echter Kriegsherr, der aus der sicheren Entfernung seine Landsleute in den Tod schickt. Nur haben diese momentan nicht so richtig Lust, sich für Selenskyi und Macron totschießen zu lassen. Denn bis auf diejenigen, die uns täglich ihren Propaganda-Quatsch erzählen, versteht inzwischen fast jeder, dass sich die Ukraine zwar verständlicherweise verteidigen will, aber dass sie sicherlich keine „europäischen Werte“, „die Demokratie“ oder gar Europa verteidigt.

Sie können so viele Menschenleben sinnlos opfern, wie sie wollen, dieser Krieg wird, wie alle Kriege, am Verhandlungstisch mit Unterschriften beendet werden. Die Bedingungen hierfür wird diejenige Kriegspartei diktieren, die den Krieg gewinnt und das wird wohl kaum die Ukraine sein. Je früher man mit Verhandlungen beginnt, desto mehr kann man noch verhandeln. Und wenn man den Zeitpunkt der Verhandlungen verpasst, wird man die Bedingungen der Sieger akzeptieren müssen.

Und noch etwas ist klar – diejenigen, die sich heute als große Kriegsherren in den Geschichtsbüchern verewigen wollen, werden es wohl tatsächlich in die Geschichtsbücher schaffen. Als die größten Versager des 21. Jahrhunderts.

1 Kommentar zu Geheuchelte Einigkeit

  1. Ihre regelmäßigen Artikel über die Ukraine zeigen leider wie kurzatmig eigentlich die Haltung der öffentlichen Meinungen im Westen sind. Gemessen An der gesamten Wirtschaftskraft des Westens sind die 200 Mrd Euro ein durchaus vertretbarer Betrag. Die Opfer, die hingegen Russland aubringen muss, sind viel gewaltiger. Verhandlungen wird es irgendwann mal geben. Nur gebetsmühlenartig nach solchen aufzurufen sendet ein völlig falsches Signal an Russland. Putin’s Denkweise ist überhaupt nicht vergleichbar mit der seiner westlichen Kontrahenten. Wir haben keine andere Wahl momentangeschlossen hinter der Ukraine zu stehen. Es geht auch um unsere Glaubwürdigkeit gegenüber der restlichen Welt. Und übrigens es gibt nur einen Kriegsherrn und das ist Wladimir Putin.

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