Armes Großbritannien…

Jeremy May? Theresa Corbyn? In den Augen vieler Briten sind beide gleich schlimm... Foto: mia! / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Rund 8000 Sitze gab es bei der britischen Kommunalwahl neu zu besetzen oder für die Amtsinhaber zu bestätigen und diese Wahl war ein Schlag ins Gesicht der beiden völlig versagenden Parteien: Die konservativen Tories verloren rund 1000 (!) Sitze und auch Labour musste einen Verlust von über 80 Sitzen hinnehmen. Gewinner sind die beiden pro-europäischen Parteien, die Liberaldemokraten und die Grünen. Schade nur, dass weder die Tories noch Labour diese Ergebnisse auch nur ansatzweise richtig interpretieren.

Diese Kommunalwahl war die einzige und letzte Möglichkeit für die Briten, ihrer Regierung mitzuteilen, was sie von dem absurden Brexit-Theater halten – nämlich gar nichts. Wie sich dann allerdings die Vertreter der Tories und Labour-Chef Jeremy Corbyn vor die Presse stellen können und behaupten, die Briten hätten damit zum Ausdruck gebracht, dass sie den „Brexit gerne schnell abgewickelt haben wollen“, das ist mehr als unverständlich.

„Wir wollen euren Brexit nicht!“, das ist der Schrei, der aus den Urnen der Kommunalwahl zu hören ist. Im Grunde gäbe es nach dieser Abstrafung nur noch wenig vernünftige Optionen. Die vernünftigste Option wäre der Rücktritt von Theresa May, gefolgt von einem zweiten Referendum, bei dem sich Briten entscheiden können, ob sie nun, da die Konsequenzen eines Brexit mehr als offen auf dem Tisch liegen, wirklich die EU verlassen wollen. Alle Umfragen und die Ergebnisse der Kommunalwahl sagen genau das Gegenteil.

Doch die Verbohrtheit der beiden großen britischen Parteien ist so verkrustet, dass weder die Tories, noch Labour hören, was die Briten ihnen zu sagen haben. Theresa May hat sich wie eine Bulldogge in den Brexit verbissen und Jeremy Corbyn kann nichts anderes von sich geben als dass er gerne Neuwahlen hätte. Da sollte er allerdings vorsichtiger sein, wenn er es schon nicht schafft, Labour auf einen klaren „Remain-Kurs“ zu bringen (was er ja auch gar nicht möchte, Corbyn ist ebenfalls Brexit-Befürworter). Denn aktuelle Umfragen zeigen, dass im Falle von Neuwahlen die Tories und Labour beide auf rund 28 % kämen, Tendenz deutlich sinkend. Unter Umständen wäre nicht einmal mehr eine höchst unwahrscheinliche Große Koalition möglich und wer immer künftig in Großbritannien regieren möchte, wird sich eventuell mit den Liberaldemokraten und/oder den Grünen arrangieren müssen – und genau das traut niemand mehr Theresa May oder Jeremy Corbyn zu.

Als Ergebnis dieser Ohrfeige für das Brexit-Establishment wird das Thema erst einmal ausgeklammert. Man hat ja noch jede Menge Zeit, der nächste (dritte!) Austrittstermin wäre ja erst einmal der 22. Mai. Daher wird sich die britische Politik voraussichtlich ab dem 20. Mai um dieses Thema kümmern und danach vermutlich eine Verschiebung der Europawahl beantragen, um im Unterhaus zu sondieren, ob man bereit, in der Lage und politisch gewillt ist, an der Europawahl teilzunehmen.

Großbritannien ist ebenso arm dran wie andere Länder. In einem Moment der grundsätzlichen Hinterfragung fundamentaler Dinge wie der Mitgliedschaft in der EU, haben gerade mehrere Länder das gleiche Problem: Führungspersonal, dessen Unfähigkeit ebenso ausgeprägt wie ihre persönliche Ambition ist. Und wieso drängelt eigentlich Brüssel nicht darauf, dass die Briten langsam mal wieder anfangen, sich mit dem Thema Brexit zu beschäftigen?

Dass die Briten es momentan schaffen, in einer solch angespannten Situation „Business as usual“ zu machen, ist unglaublich. Doch nach dem 22. Mai, ob man es nun will oder nicht, werden Entscheidungen getroffen werden müssen. Doch das scheint den angefressenen Theresa May und Jeremy Corbyn nicht so richtig klar zu sein. Gibt es eigentlich kein altes Gesetz von 15hundertungrad, das der Queen ermöglicht, den ganzen unfähigen Haufen zu entlassen, ein Machtwort zu sprechen und diesem Spuk ein Ende zu bereiten? Könnte da mal bitte jemand nachschauen?