Herber Dämpfer für Boris Johnson

Angesichts der Tatsache, dass mehrere Tory-Abgeordnete mit der Opposition für einen „No-no-deal“ stimmen wollen, der Boris Johnson seinen „hard Brexit“ untersagen würde, droht dieser nun mit Neuwahlen.

Boris Johnson will die britische Wirtschaft modernisieren - mit so bahnbrechenden Innovationen wie der Dampfmaschine? Foto: UK Government / Wikimedia Commons / OGL v.3

(KL) – Es war spät gestern Abend im britischen Parlament. Gegen 23:07 Uhr nahm das Unterhaus wieder die Dinge in die Hand. Nachdem am Nachmittag Boris Johnson durch das Verlassen des Tory-Abgeordneten Philippe Lee die Mehrheit im Parlament verloren hatte, stimmte am späten Abend das Parlament dafür, selbst die Tagesordnung für die heutige Debatte bestimmen zu können. Und auf dieser steht heute die Abstimmung über ein Gesetz an, das es der Regierung verbietet, die EU am 31. Oktober ohne ein Abkommen zu verlassen. Wütend kündigte Boris Johnson daraufhin an, dann eben Neuwahlen anzusetzen. Mit dieser Entscheidung verliert Boris Johnson die Kontrolle über das weitere Verfahren. Doch das Chaos wird nicht etwa geringer, sondern eher noch größer.

Denn so einfach Neuwahlen auszurufen, das kann Boris Johnson nicht – hierfür braucht er eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Da aber auch Labour-Führer Jeremy Corbyn unbedingt Neuwahlen will, könnten ausnahmsweise Tories und Labour gemeinsam abstimmen. Neuwahlen? Was für eine drollige Idee – da wehrt sich die britische Regierung seit fast zwei Jahren, den Briten die Gelegenheit zu einem zweiten Referendum über den Brexit zu geben, nachdem klar wurde, was für katastrophale Konsequenzen dieser für Großbritannien haben würde. Mit Händen und Füssen haben sie sich gewehrt, mit rhetorischen Tricks und Falschaussagen, und nun Neuwahlen? Die Gelegenheit für die Briten endlich das zu entscheiden, worum es geht? Ja, besser könnte es ja kaum laufen!

Neuwahlen, fPur die sich Boris Johnson sogar schon den 14. Oktober als Termin ausgeguckt hat, das ist keine Drohung, sondern vielleicht das Beste, was dem Vereinten Königreich passieren könnte. Denn in diesem Fall würde das britische Volk entscheiden, wie es mit seinem Land weitergehen soll und nicht nur 93.000 halbvergreiste Tories, die den nicht einmal zum Abgeordneten gewählten Boris Johnson zum Regierungschef bestimmt hatten. Und danach wüsste man endgültig Bescheid.

Sollten die britischen Wählerinnen und Wähler erneut die Johnsons, Farages & Co. an die Macht wählen, wäre dies ein Auftrag, den Brexit knallhart durchzuziehen. Dann wären die Fronten klar und Großbritannien wäre draußen, mit allen Folgen, mit denen die Briten dann eben klarkommen müssten. Sollte aber eine neue Regierung gewählt werden, dann könnte der ganze Brexit-Quatsch noch einmal grundsätzlich in Frage gestellt werden.

Und alle Augen richten sich auf Oppositionsführer Jeremy Corbyn, der definitiv der falsche Mann am falschen Ort und zum falschen Zeitpunkt ist. Denn Labour unter Corbyn ist keinesfalls eine Wahlalternative für „Remainers“ – Jeremy Corbyn geht es weniger um die Zukunft seines Landes, als vielmehr um seinen Kindheitstraum, einmal Regierungschef zu sein. Und leider ist auch Jeremy Corbyn für den Brexit, was Labour im Fall von Neuwahlen viele Stimmen kosten würde.

Wie stehen denn gerade die aktuellen Umfragen? Aktuell, und das ist ebenso überraschend wie beunruhigend, hat Boris Johnson Rückenwind. Seit Amtsantritt hat er fast 10 % in den Umfragen zugelegt und die Tories kämen aktuell auf 34 % der Stimmen. Rechnet man dann die 13 % für die Brexit-Partei hinzu, wird es bereits knapp. Labour liegt bei 25 %, die Liberaldemokraten bei 18 %, die Schottische Nationalpartei bei 5 %, und die Grünen dümpeln bei 4 %. Großbritannien hat sich also in der Frage des Brexit komplett entzweit.

Die Briten hampeln sich unter Boris Johnson immer tiefer in die Krise, wobei Johnson davon auszugehen scheint, dass ihn am Ende doch die EU noch retten wird. Mag sein, dass er sich damit völlig täuscht, denn die EU hat keinerlei Veranlassung, dieses politische Kasperletheater länger wohlwollend zu begleiten. Die Briten müssen sich jetzt entscheiden und genau das fällt ihnen seit drei Jahren unendlich schwer.

Neuwahlen könnten das lange erhoffte „zweite Referendum“ werden – doch so, wie sich die Briten seit mehr als drei Jahren verhalten, ist das noch lange keine Garantie, dass sie sich bei Neuwahlen anders verhalten als vor drei Jahren. Aber Hand auf’s Herz – würden sich die Briten erneut für Johnson und Farage entscheiden, wer wollte dann dieses Großbritannien noch in der EU haben?

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