Aufruhr im Haifischbecken der Europapolitik

Dadurch, dass die Sozialistische Partei Catherine Trautmann den Gewerkschafter Edouard Martin vor die Nase gesetzt hat, hat sie sich selbst ins Knie geschossen.

Catherine Trautmann musste Edouard Martin erklären, wie es im Parlament zugeht. Kompetenz zählt bei der PS in Paris nicht so sehr. Foto: © Claude Truong-Ngoc / eurojournaliste.eu

(KL) – Catherine Trautmann ist eine höfliche Person. Doch innerlich muss sie gekocht haben, als sie bei der TV-Debatte der Spitzenkandidaten zur Europawahl auf France3 hinter dem von Paris gekürten Spitzenkandidaten der PS Edouard Martin saß, dieser auf ungefähr keine Frage sinnvoll antworten konnte und sie genau bei diesen Fragen hätte brillieren können. Dass die Parteitaktik der PS, die mit dem Kandidaten Martin Stimmen bei den (verständlicherweise) aufgebrachten Arbeitern im lothringischen Florange gewinnen wollte, nicht aufgegangen ist, dürfte im Hauptquartier der PS in der Pariser Rue Solfrino niemanden weiter interessieren. Für Straßburg ist dies aber eine Katastrophe.

Frankreich, das Elsass, die Stadt Straßburg und die ganze Region am Oberrhein sind die Verlierer der Taktik der Regierungspartei PS. Abgesehen davon, dass es ziemlich kurzsichtig ist, Catherine Trautmann, die zu den profiliertsten und über die Parteigrenzen hinweg anerkannten Europapolitikern Frankreichs gehört, zu setzen, verliert die Region auch die lauteste Verfechterin des Standorts des Europäischen Parlaments in Straßburg. Eine Frage, von der Edouard Martin wohl weniger versteht und die ihn wohl auch nicht über die Maße interessiert.

Die Sozialisten hätten auf ihre Kollegen in Straßburg hören können und müssen. Immerhin, in Straßburg ist es selten, dass man in der PS einmal alle Querelen vergisst und sich geschlossen zeigt – was für die Kandidatin Catherine Trautmann aber der Fall war. Demonstrativ stellten sich die Topleute der elsässischen PS der Presse und erklärten ihre Unterstützung für Catherine Trautmann. Doch all das nützte nichts, auch das Elsass wurde von der braunen Welle erfasst, die gerade über Frankreich schwappt. Und von der alle in Frankreich denken, sie wäre gar nicht braun, sondern marineblau.

Der Straßburger PS kommt nun eine ganz besondere Rolle zu – sie muss vor Ort das wettmachen, was die Partei auf nationaler Ebene an die Wand fährt. So forderte Roland Ries, Senator und OB von Straßburg, Edouard Martin solle zugunsten von Catherine Trautmann verzichten, aber einen Job, der so gut bezahlt ist, auf den verzichtet niemand. Wie politisch unerfahren Martin ist, zeigt seine Antwort auf Ries Forderung: „Hätten mehr Elsässer Catherine Trautmann gewollt, hätten mehr für die PS gestimmt.“ Als ob er vergessen hätte, dass er der Spitzenkandidat war.

Doch offensichtlich hat man in der Rue Solferino nichts aus dem Wahldebakel gelernt. Gestern verkündete Präsident Hollande, dass er auf das Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer verzichten wolle. Ob es ihn so sehr weiterbringt, wenn er sich jetzt aufführt wie ein „Präsident von Marines Gnaden“, das ist mehr als zweifelhaft.

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