Frankreichs Linke kämpft mit sich selbst – statt mit den Rechten

Zum Start in einen heißen politischen Herbst beharken sich die Sozialisten gegenseitig und vergessen dabei, wer ihr eigentlicher politischer Gegner ist.

Der frühere Premier Jean-Marc Ayrault arbeitet gerade an einer Steuerreform. Aber irgendwie zieht seine Partei nicht richtig mit. Foto: Manuel Cavanet / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Zum Ende der Sommerferien, zur berühmten „Rentrée“, organisieren die politischen Parteien Frankreichs traditionell ihre „Sommeruniversitäten“, so auch dieses Jahr. Doch angesichts weiterhin katastrophaler Umfragewerte beschäftigt sich die Regierungspartei PS in erster Linie mit ihren eigenen Strömungen und den Ambitionen einzelner Personen statt mit dem politischen Gegner – dass dieser Gegner Marine Le Pen und Nicolas Sarkozy heißt, konnte man bei den diesjährigen „Sommeruniversitäten“ fast vergessen.

Was würde wohl in Deutschland die Union machen, würden ihr fast drei Viertel der Wählerinnen und Wähler die Fähigkeit absprechen, das Land zu regieren? In Frankreich muss sich aber die PS genau mit diesen Umfrageergebnissen auseinandersetzen – in einer Umfrage des Instituts IFOP gaben 73 % der Befragten an, die Partei habe kein Konzept für Frankreich, ebenso viele Befragte waren der Ansicht, dass die Partei weit von den Sorgen der Franzosen entfernt sei und sogar 76 % fanden, dass die Partei über kein qualifiziertes Führungspersonal verfüge. Insofern kann man verstehen, dass sich die Sozialisten mehr Mühe geben, so etwas ähnliches wie eine geschlossene Linie zu zeigen, doch das ist aktuell mehr als schwierig.

Bei den Sozialisten kocht gerade fast jeder in der Führungsriege sein eigenes Süppchen, wobei aber alle permanent darauf bestehen, die Partei müsse mehr Geschlossenheit zeigen – was angesichts der zum Teil weit voneinander entfernten Positionen ziemlich schwierig ist. So arbeiten der frühere Premierminister Jean-Marc Ayrault und Pierre-Alain Muet an einer Steuerreform, die dem aktuellen Premierminister Manuel Valls nicht so richtig am Herzen zu liegen scheint und über allem schwebt die Ankündigung von François Hollande, im nächsten Jahr die Steuern senken zu wollen. Das alles unter einen Hut zu bekommen, ist alles andere als einfach.

Es wird immer deutlicher, dass die PS bei den nächsten Wahlen 2017 einen starken Partner braucht, will sie einen Funken Hoffnung bewahren, über diesen Termin hinaus an der Regierung zu bleiben. Doch während der „Front de Gauche“, der aus der kommunistischen Partei PCF und der „Parti de Gauche“ von Jean-Luc Mélenchon besteht, nicht mehr mit der PS zusammenarbeiten will, bricht auch der aktuelle Partner, die Grünen (EELV) gerade auseinander. Mit François de Rugy und Jean-Vincent Placé haben gerade erst zwei prominente Grüne ihren Parteiaustritt erklärt und die ohnehin in Frankreich schwachen Grünen verlieren damit weiter an Profil. Als „Mehrheitsbeschaffer“ für die PS wird es 2017 auf jeden Fall nicht reichen.

Auch, wenn die PS nach wie vor in fast allen Regionen die Regierung stellt, auch, wenn zahlreiche Städte Frankreichs von sozialistischen Bürgermeistern regiert werden, die einen guten Job machen, kommt die PS auf nationaler Ebene nicht mehr in die Gänge. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass sich Frankreichs Linke wieder einmal darauf besinnt, wer der wirkliche politische Gegner ist – die rechtsextreme Marine Le Pen und der frühere Präsident Nicolas Sarkozy. Diesen das politische Feld fast kampflos zu überlassen, könnte sich für die PS bereits bei der im Dezember anstehenden Regionalwahl zum Verhängnis werden. Doch so unglücklich, wie diese aktuelle Amtszeit der Sozialisten verläuft, eine Amtszeit, in der eine bequeme Mehrheit in Parlament, Senat und den Regionalregierungen nicht ausgereicht hat, um „durch zu regieren“, brauchen die Sozialisten vielleicht wieder eine Auszeit, um sich auf echte linke Werte zu besinnen – die sind nämlich in den letzten Jahren abhanden gekommen.

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