Blendende Zeiten für Menschenschmuggler

Europa schließt seine Türen und freut sich darüber, dass weniger Flüchtlinge ankommen. Viele der nicht ankommenden Flüchtlinge ertrinken im Mittelmeer.

So lange keine politische Lösung gefunden wird, werden weiterhin Menschen in Nussschalen die Überfahrt über das Mittelmeer wagen. Foto: Ggia / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Was hatten sich alle darüber gefreut, dass der seltsame Deal mit der Türkei zustande kam? Da es in diesem Deal nicht viel Positives zu erkennen gab, einigte man sich schnell auf die offizielle Lesart: „Das Abkommen mit der Türkei stellt einen schweren Schlag gegen organisierte Menschenschlepperbanden dar“. In der Praxis haben die getroffenen Maßnahmen allerdings nur eine Auswirkung – die Geschäfte der Schlepper laufen besser als je zuvor. Auf jetzt noch gefährlicheren Routen.

„Das wurde ja höchste Zeit, dass man denen das Handwerk legt“, atmete der deutsche Stammtisch auf, als der Deal bekannt wurde. Denn immerhin meinen ja die meisten zu wissen, dass „das Boot voll ist“, dass „die ganze Geschichte jetzt langsam zuviel wird“ und da kommt ein wenig europäischer Aktionismus genau zur richtigen Zeit. Nur – er bringt nichts. Ganz und gar nichts, außer, dass es noch nie lukrativer war, hilflose Menschen für viel Geld in Nussschalen aufs Mittelmeer zu schicken.

Dass die „Balkan-Route“ nun geschlossen ist, dass die Landwege in den Schengenraum hinein dicht sind, das wird als Erfolg gefeiert. Aber warum eigentlich? Wir hindern Menschen, die auf der Flucht vor Terrorismus, Mord und Totschlag sind, einen sicheren Anlaufhafen zu finden, wo sie sich von den erlittenen Traumata erholen und wieder einen Platz im Leben finden könnten. Ein großartiger Erfolg, dass wir die Existenz dieser Menschen durch unsere Politik gefährden – und das Beste daran: Wenn diese Menschen im Mittelmeer ertrinken, dann bekommen wir das noch nicht einmal mit, wir müssen also nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben.

Vielleicht hätten die Europachefs bei ihren Verhandlungen einmal eine Europakarte auf den Tisch legen sollen. Denn wer die Europakarte anschaut, der merkt sofort, dass man Europas Grenzen nicht wirksam schließen kann, selbst wenn man das unbedingt will. Und, womit jeder außer unseren Regierungschefs gerechnet hatte, ist natürlich auch eingetreten – die Schlepper suchen sich neue Routen und die gibt es reichlich.

Albanien und das Kosovo, zwei Länder, in denen War Lords herrschen und staatliche Strukturen kaum noch funktionieren, ist für Schlepper hoch attraktiv, da die Überfahrt nach Italien über die Adria nicht sehr weit ist. Ebenfalls wieder von Interesse: die Überfahrten nach Zypern oder Malta und, neu im Programm der Schlepper, die Route von Algerien und Marokko nach Spanien.

Und immer wieder vergessen wir, dass diese Menschen vor entsetzlichen Dingen flüchten. Sie sind nicht etwa eine Gefahr, sondern versuchen, vor einem gemeinsamen Feind zu fliehen, dem IS. Doch statt uns mit diesen Menschen zu solidarisieren, bekämpfen wir sie. Sobald das Wetter wieder schöner wird, werden sich Zehntausende, vielleicht Hunderttausende wieder auf den Seeweg nach Lampedusa und anderswo hin aufmachen. Und wieder werden viele kleine Aylans bei dem Versuch ums Leben kommen, den „Hort der Menschenrechte“ zu erreichen – Europa.

Und das soll ein Erfolg sein?

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