Brexit – der kollektive Irrsinn

Großbritannien bereitet sich auf den Brexit vor, als handele es sich um eine nahende Naturkatastrophe oder um Kriegsvorbereitungen. Aber bis hin zur Queen sind alle Briten vom kollektiven Brexit-Irrsinn befallen.

Tja, eigentlich hätte der Brexit schon 2017 wieder beerdigt werden sollen. Dann eben jetzt... Foto: Avaaz / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Es war schon symptomatisch, als Labour-Chef Jeremy Corbyn in einem Interview mit Channel 4 gleich sechsmal die Antwort auf die eigentlich simple ja-oder-nein-Frage verweigerte: „Glauben Sie, dass es Großbritannien nach dem Brexit besser gehen wird als vorher?“ Corbyn wand sich sechsmal in typischem Politikersprech aus einer Antwort heraus. Denn er weiß, dass der Brexit selbst im Optimalfall nichts bringen kann, mit dem das Leben in Großbritannien schöner, freier, reicher oder besser werden könnte. Nachdem nun die britische Regierung 80 Merkblätter für die Vorbereitung auf einen vertragsfreien Brexit herausgegeben hat, ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem man sich fragen muss, ob unsere britischen Freunde eigentlich noch ganz dicht sind. Zum Stichdatum März 2019 stürzen sich die Briten im bildlichen Sinne kollektiv von den Klippen von Dover und genau darauf bereitet man sich jetzt gewissenhaft vor. Hält sich Theresa May für einen zweiten Winston Churchill? Nur dieses Mal gibt es überhaupt keinen Grund, sich „blood, sweat and tears“ anzutun.

Für den Brexit arbeiten aktuell rund 9000 britische Beamte. Die von den Regierungsstellen herausgegebenen Szenarien und damit verbundenen Empfehlungen sind katastrophal. Im März 2019, wenn der Brexit gültig werden soll, wird Großbritannien von einem Tag auf den anderen isoliert sein. Die Regierung rät zu Hamsterkäufen für Medikamente und bereitet die britischen Unternehmen darauf vor, dass nichts mehr so sein wird wie zuvor. Eine Welle neuer Verwaltungsakte, Zollerklärungen, Rechtsunsicherheiten werden das harte Brot der britischen Wirtschaft werden, was wiederum dazu führen wird, dass diese teilweise einbrechen wird. Diese Horrorszenarien stammen übrigens nicht aus der Feder proeuropäischer Brexitgegner, sondern aus den Ministerien. Die Chancen stehen folglich hoch, dass das Ergebnis noch katastrophaler ausfallen wird, als es diese Prognosen vorsehen.

Hamsterkäufe? Medikamente horten? Sich quasi auf das Leben in Isolation vorbereiten? What’s next, Theresa May? Das kostenlose Verteilen von Tomatensamen und Zuchtanleitungen für alle Haushalte? Die Briten haben sich völlig verrannt und zerren gerade wie verrückt am Seil um ihren Hals, statt einfach den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Nach wie vor ist nicht klar, was der Brexit wem bringen soll, außer der diffusen Aussage, dass man dann nicht mehr unter dem „Brüsseler Joch“ stünde. Das tun faktisch alle, die am europäischen Binnenmarkt teilhaben und diese Teilhabe ist für das Vereinte Königreich überlebenswichtig. Überhaupt „Vereintes Königreich“ – sollten die Briten tatsächlich keinen Weg aus dieser Spirale des Wahnsinns finden, dürfte man wohl das „Vereinte“ streichen, denn dann werden gleichzeitig zwei Dinge passieren: Schottland wird sich zwischen Europa und einem gefledderten Großbritannien entscheiden müssen und die irische Frage wird wieder aufflackern. Am Ende besteht die sehr konkrete Gefahr, dass nur noch England und Wales übrigbleiben. Wie kann es nur sein, dass Queen Elizabeth II. diesem ihr Königreich gefährdeten Blödsinn zugestimmt hat? Und das gleich zweimal, im März 2017 und im Juni 2018…

Es darf keinen „soft“ oder „hard“ Brexit geben – es sollte überhaupt keinen Brexit geben. Die Briten sollten gemeinsam mit den anderen Europäern dafür arbeiten, Europa aus den Klauen der „Märkte“ zu befreien und endlich aus diesem Kontinent einen Hort des Humanismus machen. Die selbst auferlegte Isolation wird Großbritannien auf lange, lange Jahre ruinieren. Wäre es da nicht besser, diesen Spuk zu beenden? Jeder weiß, dass die Volksabstimmung über den Brexit unter Vortäuschung falscher Tatsachen stattgefunden hatte, wie der damalige antieuropäische Chef der UKIP Nigel Farage bereits am Morgen nach der Abstimmung fröhlich im Frühstücksfernsehen verkündete. Da könnte man diese eigenproduzierte Katastrophe doch einfach stoppen, bevor sie stattfindet!

Herrje – stoppt diesen Blödsinn sofort! Es gibt viel zu tun und zu verbessern in Europa, packen wir’s an! Und Schluss mit diesem Lemming-Brexit!

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