Bye, bye, BoJo…

Großbritannien steht vor einem Regierungswechsel, die Tage des Politclowns Boris Johnson sind gezählt. Doch an diesem Desaster ist nicht nur der durchgeknallte Regierungschef Schuld. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.

Boris Johnson und Großbritannien radeln gerade einer ungewissen Zukunft entgegen. Foto: European Cyclists' Federation / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Der Druck wurde am Ende zu groß. Reihenweise verließen die britischen Minister das Kabinett von Boris Johnson und in den letzten Tagen redeten die Tories und das Kabinett auf Johnson ein, er möge doch zurücktreten. Klammerte sich Boris Johnson zunächst weiter an seinen Posten, musste er am Ende einsehen, dass er keine Chance mehr hat. Nach einer Amtsführung, die von Skandalen und groben Aussetzern geprägt war, steht Großbritannien nun vor einem Neuanfang. Doch daran ist nicht nur Boris Johnson Schuld und ob sich an der britischen Politik etwas zum Besseren verändert, ist ebenfalls dahingestellt.

Mehrfach hatten die Briten per Wahlen die Möglichkeit, einerseits den Brexit zu verhindern und andererseits dem Land einen anderen Regierungschef zu geben als ausgerechnet Showman Boris Johnson, unter dessen Führung Großbritannien mit Vollgas an die Wand gefahren ist. Doch damit ein Boris Johnson die Einheit des Vereinten Königreichs ruinieren konnte, brauchte es zwei Seiten. Ihn selbst und diejenigen, die ihn gewählt haben. Und im Grunde müsste man noch eine dritte Seite hinzufügen, nämlich die Nichtwähler, die dafür gesorgt haben, dass Johnson, ebenso wie viele andere Regierungschefs in Europa, nur von einem Bruchteil der Wahlberechtigten gewählt wurde.

Dass Boris Johnson angesichts seiner endlosen Skandale nicht ewig Mieter in der Downing Street 10 sein würde, war klar. Unklar ist aber, wie es nun weitergeht. Die Tories müssen nun durch eine Kandidatenauswahl, die ziemlich kompliziert ist. Kandidieren kann jedes Tory-Mitglied, sofern seine (oder ihre) Kandidatur von zwei Abgeordneten vorgeschlagen wird. Dann wir abgestimmt, abgestimmt und weiter abgestimmt. Nach jedem Wahlgang scheidet der oder die Kandidat(in) aus, die am wenigsten Stimmen gewinnen konnte. Das geht so lange, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Über die entscheidet dann eine Mitgliederabstimmung. Und das kann ziemlich lange dauern, je nachdem, wie viele Kandidaten ihren Hut in den Ring werfen.

Ob sich durch einen neuen Parteichef, der in Großbritannien de facto auch zum Regierungschef wird, etwas an der britischen Politik ändert, ist offen bis unwahrscheinlich. Hoffnungen, dass Johnsons Nachfolger die Uhr zurück dreht, das Land wieder in die EU führt und so mit den Schotten kommuniziert, dass diese im Vereinten Königreich bleiben, sind fehl am Platz. Zu einem Zeitpunkt, zu dem selbst die Labour-Führung nicht die geringste Ambition an den Tag legt, den Brexit rückgängig zu machen, muss man damit rechnen, dass Johnsons Nachfolger die bisherige Politik weiterführen wird, allerdings ohne die Johnson‘schen Skandale. Doch an den Grundlagen der britischen Politik wird sich nicht viel ändern.

Boris Johnson ist nicht alleine an diesem Desaster Schuld. - Der Mann hat nicht nur nie einen Hehl aus seiner facettenreichen Persönlichkeit gemacht, im Gegenteil, er kokettierte sogar damit. Die Briten wussten also sehr genau, wen sie da an die Spitze der Regierung hievten. Schuld sind also vor allem die britischen Wähler und Nichtwähler. Und das ist ein Phänomen, das man auch in anderen europäischen Ländern beobachtet. Beispielsweise in Frankreich, wo Präsident Macron fünf Jahre (durchaus zurecht) massiv kritisiert wurde, nur um dann im Frühjahr wiedergewählt zu werden. An dem, was in Frankreich (und eben jetzt auch Großbritannien) politisch passieren wird, sind also in erster Linie diejenigen Schuld, die ihn gewählt haben und schlimmer noch, die Hälfte der Wahlberechtigten, die nicht wählen gehen und es Politikern ermöglichen, mit 20 oder 25 (und manchmal weniger) Prozent der wahlberechtigten Stimmen gewählt zu werden.

Die europäische und auch die britische Demokratie sind schwer erkrankt. Der Graben zwischen Bevölkerung und Regierung ist riesig, das Vertrauen in die Politik massiv erschüttert und das Desinteresse an der Demokratie spült in vielen Ländern Menschen an die Macht, die für diese Jobs nicht geeignet sind, sondern in erster Linie ihre Profilneurosen in diesen hohen Ämtern ausleben.

Dabei hätte Boris Johnson der Katalysator für ein „neues europäisches Projekt“ werden können, das die europäische Politik seit den Tagen des ersten Brexit-Referendums angekündigt hatte. Doch so wurde er nur zum Betreiber eines unausgegorenen Austritts aus der EU, der sowohl die Irland-Frage wieder auf die Agenda gesetzt, wie auch das nächste schottische Unabhängigkeits-Referendum losgetreten hat. Wenn man dazu die zahllosen Skandale und Skandälchen des Regierungschefs berücksichtigt, war es allerhöchste Zeit, dass Bojo das Handtuch wirft.

Doch die britischen Wähler werden es schon richten. Nach David Cameron, Theresa May und Boris Johnson werden sie es wieder hinbekommen, den schlechtmöglichsten Kandidaten an die Spitze der Regierung zu spülen. Diejenige, die einem wirklich leidtun kann, ist die Queen, die mit ihren 96 Jahren hilflos mit anschauen muss, wie Politclowns wie Bojo das britische Königreich ruinieren. Bei seiner Ansprache, bei der er seinen Rückzug erklârte, sagte er ausnahmsweise etwas Richtiges – „niemand ist unersetzlich“. Das stimmt. Bye, Bye, BoJo, du wirst niemandem fehlen.

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