Das Saarland – zwischen Mittelalter und Moderne

Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlands, zeichnet sich durch einen hochmodernen Ansatz in den deutsch-französischen Beziehungen und eine mittelalterliche Sichtweise auf die Ehe für Homosexuelle aus.

Eigentlich ist die saarländische Ministerpräsidentin eine hochmoderne Politikerin - umso erstaunlicher ihre Äußerungen zum Thema "Homoehe". Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Ob die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Äußerungen über die Homosexuellen-Ehe heute noch einmal so machen würde? Nachdem sie sprachlich die Homosexuellen-Ehe, für deren Einführung sich mittlerweile eine Mehrheit der Bundesländer ausspricht, in die Nähe von Inzest und Polygamie gerückt hat, ist bei der Staatsanwaltschaft Berlin eine Anzeige wegen „Volksverhetzung“ gegen sie eingegangen. Denn nicht einmal in ihrer eigenen Partei versteht man diesen erzkonservativen Ausbruch einer ansonsten absolut progressiv und lebensnah eingestellten Politikerin.

Stein des Anstoßes ist ein Interview in der Saarbrücker Zeitung, in dem sie erklärte, dass es bislang in Deutschland eine klare Definition der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau gäbe und dass eine Aufweichung dieser Definition dazu führen könne, dass man sich auch Forderungen nach Ehen zwischen Verwandten, also Inzest und zwischen mehreren Menschen (also Polygamie) nicht erwehren könne. Eine Einstellung, die man eher dem bayerischen Stammtisch als der saarländischen Ministerpräsidentin zugetraut hätte.

Wie unsinnig das Argument „das war immer schon so“ ist, zeigt die Tatsache, dass Homosexualität in Deutschland bis hinein in die 70er Jahre ein Strafbestand war – nach Kramp-Karrenbauers Argument müsste das also heute noch so sein. Und das ist eine grobe Verkennung der Lebensrealitäten im 21. Jahrhundert. Man kann nicht einerseits Länder verurteilen, in denen Homosexuelle verfolgt werden, diese aber gleichzeitig in die Nähe von Inzest und Polygamie rücken.

Zwar beeilt sich die rechte Presse nun, die Worte von Kramp-Karrenbauer „ins rechte Licht“ zu rücken, doch die Aussagen sind inhaltlich nicht mehr zu relativieren. Dass die von Kramp-Karrenbauer propagierte Mann-Frau-Kind-Konstellation als einzig selig machende Lebensform nicht mehr gültig ist, sollten ihr alleine schon die Scheidungsquoten in Deutschland zeigen.

Besonders auffällig ist der Vorgang, da solche Äußerungen eigentlich gar nicht zu Annegret Kramp-Karrenbauer passen. Hoch intelligent, engagiert in der zukunftsfähigen Ausrichtung des Saarlands und der deutsch-französischen Beziehungen, kann man diese Entgleisung eigentlich nur als Versuch deuten, sich als potentielle Nachfolgerin von Angela Merkel in den konservativsten Kreisen Deutschlands zu positionieren. Damit wäre sie dann aber ganz schön ins Fettnäpfchen getreten, denn ihre Aussagen stoßen nicht nur beim politischen Gegner auf Unverständnis bis Entsetzen, sondern sogar in ihrer eigenen Partei. So bezeichnete ein CDU-Abgeordneter ihre Position als „obskures Statement und schrille Töne, mit denen versucht wird, ein Horrorszenario an die Wand zu malen“. Ein Kommentar, der wohlgemerkt von einem Parteifreund kam…

Annegret Kramp-Karrenbauer hätte zu diesem Thema besser geschwiegen – als Nachfolgerin von Angela Merkel hat sie sich mit ihrer seltsamen Stellungnahme selbst aus dem Rennen geschossen. Eigentlich schade, denn selbst für Vertreter aus den anderen politischen Lagern war sie eine Art Hoffnungsträgerin für eine „neue CDU“ für die Zeit nach Angela Merkel. Nachdem alle Kronprinzen und -Prinzessinnen der Kanzlerin in ihren Skandalen und Skandälchen gescheitert sind (Guttenberg, von der Leyen und nun Kramp-Karrenbauer) wird einem Angst und Bange, wenn man sich vorstellt, wer auf Angela Merkel folgen könnte. Schade.

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