Denkwürdige Demonstration in Straßburg

Während in Paris die „Black Blocks“ die dortige Demonstration in die inzwischen übliche Gewaltorgie verwandelten, demonstrierten in Straßburg mehr als 10.000 Menschen völlig friedlich gegen die Sozialpolitik der Regierung.

Eine Gross-Demonstration in friedlicher Stimmung. Ohne Zwischenfälle. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – So eine große Demonstration hatte Straßburg schon lange nicht mehr erlebt. Die Polizei gab die Teilnehmerzahl mit 9.000 deutlich zu niedrig an, offenbar war man bemüht, keine fünfstellige Zahl zu vermelden. Sei’s drum – bei der Demonstration ging es gestern einerseits um die geplante Rentenreform in Frankreich, aber nicht nur – die gesamte Sozialpolitik der französischen Regierung wird von einem beachtlichen Teil der Bevölkerung abgelehnt. Unterstützt wurde die Demonstration auch von deutschen ver.di-Gewerkschaftern, die aus Saarbrücken angereist waren.

Der Grund für die Demonstration war also die geplante und noch nicht einmal im Detail vorgestellte Rentenreform der französischen Regierung, wobei selbst dieses Thema differenziert betrachtet werden muss. Für die Mitarbeiter der Staatsbahn SNCF geht es bei Streik und Demonstrationen vor allem um die Aufrechterhaltung von eigentlich nicht mehr zeitgemäßen Privilegien wie einem Renteneintrittsalter ab 52 (!) Jahren, während in der gleichen Demonstration Arbeitnehmer, Lehrer, Krankenschwestern gegen ein für sie geplantes Renteneintrittsalter von 67 Jahren demonstrieren, und das bei deutlich sinkenden Renten. Doch bei den Demonstrationen in Frankreich ging es gestern nicht nur um die Renten, sondern generell um das Gefühl, das von vielen Franzosen geteilt wird, nämlich dass die Regierung die sozial Schwächeren einseitig benachteiligt, gleichzeitig aber die Reichsten großzügig beschenkt. Das ist zwar jetzt etwas vereinfacht dargestellt, doch so empfinden es die Menschen.

Ein aus dem Saarland angereister Vertreter von ver.di erklärte, dass es grundsätzlich auch um die vielen Einschnitte in die Sozialsysteme geht, was auch die Präsenz deutscher Gewerkschafter bei der Demonstration in Straßburg erklärt. „Langsam, aber sicher, werden sowohl in Deutschland als auch in Frankreich immer mehr soziale Errungenschaften einfach abgeschafft!“.

Bei der Demonstration, die von fast allen Gewerkschaften, aber auch Parteien, ONGs und Berufsverbänden getragen wurde, ging es also eher um die allgemeine Entwicklung der französischen Sozialpolitik. Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, Beschäftige in der Verwaltung, LehrerInnen, Krankenschwestern, Feuerwehrleute und sogar Polizisten demonstrierten gemeinsam, also all diejenigen, die im öffentlichen Dienst in Frankreich deutlich weniger verdienen als in anderen europäischen Ländern. Der soziale Bruch in der französischen Gesellschaft wird immer tiefer.

Bemerkenswert war der aufmerksame und omnipräsente Ordnungsdienst, den die Gewerkschaften gemeinsam organisiert hatten. Denn es sollte unbedingt verhindert werden, dass sich diese Demonstration so entwickelt, wie zuletzt viele Demonstrationen der „Gelbwesten“, die bei ihren „Akten“ die ebenfalls immer präsenten „Black Blocks“ einfach machen und damit ihre eigentlichen Ansinnen in den Hintergrund rücken lassen. Aber Straßburg ist eben nicht Paris – nachdem die völlig friedliche Demonstration beendet war, versuchte zwar noch eine Handvoll Chaoten ins Einkaufszentrum Rivetoile einzudringen – aber es blieb beim Versuch.

Auf jeden Fall soll der Streik der Eisenbahner weitergeführt werden, bereits für heute ist, wie eigentlich erwartet, der nächste Streiktag angekündigt worden, ebenso wie eine erneute Demonstration. Wie das alles weitergeht, wird man in den kommenden Tagen sehen.

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