Der Countdown läuft…

„Ich will austreten, ein bisschen, vielleicht, gar nicht, unbedingt...“ - die Briten gehen gerade mit dem Brexit um, als handele es sich um ein Pusteblumenspiel. Der Kater am nächsten Morgen könnte gewaltig sein.

Man darf gespannt sein, was von ihrem Vereinten Königreich noch übrig ist, wenn T. May damit fertig ist... Foto: Northern Ireland Office / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Nun tritt genau das ein, was die EU eigentlich hätte verhindern müssen – das britische Chaos um den Brexit beginnt, auch die EU zu spalten. Die „Lösungsvorschläge“ der Regierungen, Institutionen, Oppositionen und aller anderen Fachleute haben etwas Verzweifeltes, das ans Lächerliche grenzt. Stündlich ändert sich die Gemengelage, doch trotz aller Aufregung fehlt es nach wie vor an einem: einer Idee, wie es weitergehen soll.

Langsam wird es schwierig, das Hin und Her um den Brexit präzise zu verfolgen. Die Ereignisse überschlagen sich, doch seltsamerweise, ohne dass sich etwas Bedeutendes bewegen würde. Dabei schafft es Theresa May überraschend einfach, der EU die Verantwortung für die weitere Entwicklung zuzuschieben. Mit der Bitte um eine Verschiebung des Brexit-Datums bis zum 30. Juni, hat sie es geschafft, Zwietracht in der EU zu säen.

Denn diese Verschiebung würde bedeuten, dass die Briten an der Europawahl Ende Mai teilnehmen müssten. Dies ist erst einmal gar nicht so einfach den 27 EU-Mitgliedsstaaten zu erklären, für die es nicht unerheblich ist, wie viele Abgeordnete sie ins Europäische Parlament nach Straßburg entsenden können. Nach der Ankündigung des Brexit wurden die britischen Sitze nach einem Schlüssel auf die übrigen Mitgliedsstaaten verteilt, was in diesem Fall rückgängig gemacht werden müsste. Insofern ist es alles andere als klar, ob die EU hier zu einer einheitlichen Haltung kommt. Dazu haben etliche Tories bereits angekündigt, Theresa May stürzen zu wollen, sollte diese die Briten tatsächlich zur Teilnahme an der Europawahl nötigen, weswegen diese Option von beiden Seiten her mehr als fraglich ist. Von den damit verbundenen rechtlichen Fragen ganz zu schweigen.

Der Präsident des Europäischen Rats Donald Tusk schlug gar eine „Flextension“ vor, eine flexible Fristverlängerung für den Brexit, die bis zu 12 Monaten dauern könnte, und während der die Briten jederzeit aussteigen könnten, sobald sie sich selbst auf irgendetwas geeinigt haben und sich mit der EU auf dieses irgendetwas haben verständigen können.

Und jetzt wird es grotesk. Die Briten müssen nun langsam verstehen, dass wir Europäer sie gerne bei uns behalten würden, es aber gleichzeitig auch nicht zulassen können, das gesamte Funktionieren der europäischen Institutionen von einer britischen Regierung abhängig zu machen, die sich wie ein sechsjähriges Kind vor den Süßigkeitenregalen an der Supermarktkasse benimmt. Irgendwann müssen sich die Briten nun schon entscheiden, was sie wollen. Denn auch die EU muss Entscheidungen treffen, die ihr eigenes Funktionieren betreffen und das ist momentan alles andere als effizient, solange sich alles um die Briten dreht.

Stand heute ist, dass der bislang gültige Brexit-Tag der 12. April ist – und das ist der nächste Freitag. Bis dahin muss die EU entscheiden, ob sie bereit ist, Großbritannien die zweite Fristverlängerung einzuräumen. Hierzu findet in dieser Woche ein Sondergipfel in Brüssel statt, auf dem sich die EU entscheiden muss, wie das weitere Verfahren aussehen soll. Doch inzwischen geht es nicht mehr nur um die Frage des britischen Austritts aus der EU, sondern auch um einen weiteren reibungslosen Betrieb der Institutionen.

Eine britische Teilnahme an der EU-Wahl, ohne eine Perspektive auf einen dauerhaften Verbleib Großbritanniens in der EU, wäre eine politische Farce. Und nach wie vor sieht es so aus, als würden sich die meisten britischen Politiker weigern, auch nur an ein zweites Referendum zu denken. Denn das Ergebnis eines zweiten Referendums wäre klar – die Briten würden sich mehrheitlich für den Verbleib in der EU aussprechen. Dass die britische Regierung das Ermitteln und Befolgen des Willens der Mehrheit so konsequent verhindert, ist eine mehr als seltsame Interpretation des Begriffs „Demokratie“. Wie fast alle Wochen in der jüngeren Vergangenheit ist auch diese Woche wieder entscheidend. Und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man Entscheidungen nicht länger hinausschieben kann, egal, wie flexibel man sich dabei ansteht. Dieser Punkt dürfte im Laufe dieser Woche erreicht werden. God save the Queen…

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