„Der Kampf um den Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg ist keine rein französische Angelegenheit!“

Die ehemalige Ministerin, Europaabgeordnete und Oberbürgermeisterin von Straßburg Catherine Trautmann hat die Kampagne „Strasbourg – The Seat“ gestartet. Denn wenn ein einzelner Sitz für das Europäische Parlament sehr sinnvoll wäre, dann nur, wenn er sich in Straßburg befindet.

Catherine Trautmann kämpft dafür, dass das Europäische Parlament komplett nach Straßburg umzieht. Wofür es viele gute Argumente gibt. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Catherine Trautmann leitet die „Task Force“, die dafür kämpft, dass der Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht permanent in Frage gestellt wird, wie beispielsweise durch die Kampagne „Single Seat“, die von mehreren Europaabgeordneten, überwiegend aus Großbritannien, gestartet wurde. Doch fordert Catherine Trautmann nicht nur, dass weiterhin Parlamentssitzungen in Straßburg stattfinden, sondern den definitiven Umzug des Europäischen Parlaments an einen einzigen Sitz – und zwar nach Straßburg. Interview.

Catherine Trautmann, Sie sind in die „Höhle des Löwen“ nach Brüssel gegangen, um dort Ihre Kampagne „Strasbourg – The Seat“ zu starten. Wie hat man in Brüssel auf Ihren Vorschlag reagiert, den einzigen Sitz des Parlaments in Straßburg festzulegen?

Catherine Trautmann: Die Konferenz zum Start der Kampagne „Strasbourg – The Seat“ hat große Aufmerksamkeit in Brüssel erregt. Ich habe dabei ein echtes Interesse an einer neuen Perspektive auf diese Frage feststellen können. Die Menschen fangen an zu verstehen, dass die Frage des Sitzes des Europäischen Parlaments nicht mehr nur eine geographische Frage, sondern vor allem eine Frage des Gleichgewichts der politischen Macht in Europa ist. Denn mit dem Europarat und dem Europäischen Parlament ist Straßburg die parlamentarische Hauptstadt Europas und der Sitz des Parlaments in Straßburg garantiert die Unabhängigkeit, die Autorität und die Demokratie der europäischen Institutionen.

Heute geht es also nicht nur um die Frage, wo sich das Parlament befindet, sondern vor allem um den Regierungsstil in Europa, die „Governance“, die verändert werden muss.

Der deutsche Europaabgeordnete Arne Gericke kämpft wie Sie um den Sitz des Parlaments ausschließlich in Straßburg und argumentiert dabei sehr ähnlich wie Sie. Die Kosten für die Renovierung der baufälligen Gebäude in Brüssel, mehr Distanz zu den Lobbys – planen Sie, Ihre Kräfte zu bündeln?

CT : Ich freue mich, dass sich Arne Gericke so engagiert, wie er es tut! Und ich bitte ebenfalls die anderen Abgeordneten, die für den Sitz in Straßburg sind, sich genau so stark zu engagieren wie er. Die Straßburg-Befürworter im Parlament organisieren sich gerade in der „Pflimlin-Gruppe“ und anderen Arbeitskreisen und eine der anstehenden Aufgaben ist es, diese Arbeiten zu koordinieren. Ich freue mich besonders, dass diese Mobilisierung international ist und dass zahlreiche Abgeordnete aus verschiedenen Ländern dabei sind, aus Frankreich, Deutschland, Italien und vielen anderen Mitgliedsstaaten. Arne Gericke, den ich sehr bald treffen werde, sollte von den anderen deutschen Abgeordneten unterstützt werden, aber auch von der Zivilgesellschaft, die ebenfalls eine sehr wichtige Rolle zu spielen hat.

Es gibt die Zahlen, es gibt die Berichte, es gibt die Abstimmungen. Die Berichte eines Pierre Loeb, in denen er nachweist, dass die Zahlen der Straßburg-Gegner falsch sind, wurden nie dementiert. Es ist also an der Zeit, zu Konkretem überzugehen. Welche Aktionen planen Sie im Rahmen von „Strasbourg – The Seat“?

CT: Lassen Sie mich zunächst noch zwei Dinge unterstreichen, die unsere Kampagne deutlich stärken. Die Einrichtung der neuen französischen Großregion in Ostfrankreich ist eines davon, denn diese Region, im Herzen Europas, mit vier europäischen Nachbarländern und der Hauptstadt Straßburg, stärkt unsere europäische Ausstrahlung. Dazu kommt die Einrichtung der Eurometropole Straßburg, die ein Beweis für das Engagement des französischen Staats für Straßburg als europäische Hauptstadt ist. Um auf Ihre Frage zu antworten: Wir arbeiten an einer starken Mobilisierung auf allen Ebenen – in den Fraktionen, den politischen Parteien, den nationalen Regierungen und natürlich werden wie die Zivilgesellschaft in diese Diskussionen einbinden.

Wir werden Lobbying-Kampagnen durchführen, nicht nur in Brüssel und Straßburg, sondern auch in Paris, wo wir eine Unterstützergruppe in den politischen Institutionen einrichten werden, also in der Nationalversammlung und dem Senat . Diese Arbeit muss auch in den anderen Ländern bei den Regierungen durchgeführt werden.

Konkret organisieren wir Anfang 2016 eine Konferenz zur Frage des Parlamentssitzes in Paris, wo wir auch über den Regierungsstil Europas sprechen werden und wir werden alles daran setzen, die nationale und internationale Unterstützung für den Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg weiter zu strukturieren.

Und die „Task Force“ übernimmt die Koordination dieser Aktionen?

CT: Das hängt von den Wünschen der verschiedenen Akteure ab. Ich kann mir auch gut eine „Intergruppe“ vorstellen, die an diesem und anderen Themen arbeitet, wie Beispielsweise dem Initiativrecht des Parlaments für die europäische Gesetzgebung. Allerdings wird die „Task Force“ nicht alles leisten können, weswegen es wichtig ist, dass sich auch andere mobilisieren, doch bin ich zuversichtlich, dass dies auch geschehen wird. Ein deutscher Bundestagsabgeordneter der SPD hat mich bereits kontaktiert und vorgeschlagen, unsere Aktionen in Berlin weiterzuleiten. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen guten Willens in den Startlöchern sitzen und bereit sind, sich zu engagieren.

Es dreht sich also darum, Argumente zu präsentieren und zu überzeugen. Das tun aber bereits viele seit längerer Zeit. Was ist heute anders, dass Sie so überzeugt davon sind, dass Ihr Vorgehen Erfolg haben wird?

CT: Die Pläne zur Renovierung der Gebäude in Brüssel haben die Diskussion verändert und immer mehr Menschen merken, dass Brüssel bereits heute überfüllt ist. Daher stellt man sich nun die Frage, warum das Europäische Parlament nicht einmal solche Summen in die Renovierung der Parlamentsgebäude in Brüssel stecken sollte…

Zumal Straßburg dieser Entwicklung mit seinem Plan „ECO2020“ bereits vorgegriffen hat…

CT: Genau – Straßburg bietet wirklich die Lösung, denn außer der Verfügbarkeit von Gebäuden in perfektem Zustand bietet Straßburg die Möglichkeit, die Strukturen wie Büros, Wohnraum und andere jederzeit zu erweitern und zwar auf ökologische Art und Weise. Der Plan „ECO2020“», den die Stadt Straßburg übrigens gemeinsam mit den Kollegen aus Kehl erarbeitet hat, ist eine echte „Road Map“ für die Erweiterung des Europäischen Viertels. Außerdem hat Straßburg viel an den Punkten gearbeitet, die in den letzten Jahren kritisiert worden waren, wie den Verkehrsinfrastrukturen. Ob mit dem TGV oder den Möglichkeiten des Flughafens Straßburg-Entzheim – das Argument eines schwierigen Anfahrt nach Straßburg ist einfach nicht mehr zutreffend.

Sie haben von Unterstützung auf nationaler Ebene gesprochen – stehen die französischen Abgeordneten im Parlament geschlossen hinter dem Konzept des einzigen Sitzes des Parlaments in Straßburg?

CT: Ja, die französischen Abgeordneten sind mobilisiert, aber man muss festhalten, dass es sich keinesfalls um eine franko-französische Diskussion handelt. Seit 20 Jahren steht die Frage des Sitzes in Straßburg regelmäßig auf der Tagesordnung und man muss sich gegen eine bestimmte Art der Auseinandersetzung wehren, die am Ende ermüdend wird. Die Diskussion muss nun auf eine andere Ebene gebracht werden, man muss ebenso über die Art der Politikgestaltung sprechen wie über die Organisation der Eurozone, also über echte Inhalte. Die Parlamentarier wissen auch über ihre Fraktionsgrenzen hinweg, dass Straßburg der Sitz des demokratischen Europas ist, auch, wenn der eine oder andere, wie der frühere Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit, dies nicht ganz genau so sieht. Doch die Unterstützung ist stark, auch bei den Grünen und alle sind sich darüber einig, dass Straßburg der einzige Garant für ein starkes Europäisches Parlament ist.

„Strasbourg – The Seat“ – warum haben Sie eine englische Bezeichnung gewählt? Weil das besser klingt als „Strossburi – de Sitz“, um eine aktuelle Debatte in Straßburg aufzugreifen?

CT: [lacht] Die englische Bezeichnung ergab sich von selbst, denn wir wenden uns an ganz Europa und wir haben dafür nicht einmal die Dienste einer Kommunikationsagentur in Anspruch genommen… „The Seat“, das versteht jeder und das ist auch die Antwort auf die Kampagne derjenigen, die den Sitz in Straßburg mit ihrer Kampagne „Single Seat“ angreifen. Die Bezeichnung ist klar – Straßburg ist DER Sitz!

Catherine Trautmann, vielen Dank für dieses Gespräch!

Site der Kampagne “Strasbourg – The Seat” – HIER KLICKEN!

1 Kommentar zu „Der Kampf um den Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg ist keine rein französische Angelegenheit!“

  1. Aloys Richter // 21. November 2015 um 7:20 // Antworten

    Ehe Straßburg zur Hauptstadt erklärt werden kann, muss Frankreich erst einmal die Menschenrechte erfüllen. Das Recht auf seine Muttersprache. Die wird im Elsass verwehrt.

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