Wahlen in Straßburg – eine Ohrfeige für die Politik

Knapp 80 % der Wahlberechtigten sind am Sonntag NICHT zur Wahl gegangen. Dabei geht es bei dieser Wahl immerhin um einen Sitz in der französischen Nationalversammlung.

So sehen Sieger aus... Eric Elkouby liegt nach dem 1. Wahlgang der Nachwahlen für einen Parlamentssitz vorne - mit 6,66 % der wahlberechtigten Stimmen... Foto: Claude Truong-Ngoc / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – So etwas hat man noch nicht gesehen. Bei der Nachwahl um den Sitz des Abgeordneten Armand Jung (PS), der sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem französischen Parlament verabschieden musste, sind fast 80 % der Wahlberechtigten nicht wählen gegangen. Es wird zwar noch eine Stichwahl zwischen dem Kandidaten der PS Eric Elkouby und dem Kandidaten der „Les Républicains“ Jean-Emmanuel Robert geben, doch demokratisch legitimiert ist eigentlich keiner der Kandidaten. Die Franzosen scheinen von ihren Politikern und Parteien endgültig die Nase voll zu haben.

Wenn vier von fünf Wahlberechtigten nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, dann liegt etwas ganz gewaltig im Argen. Wenn dann am Wahlabend auch noch die Vertreter der Parteien die Ergebnisse kommentieren, als ob nichts Besonderes wäre, dann liegt etwas noch viel gewaltiger im Argen. Denn das, was die Wählerinnen und Wähler durch ihr Nichtwählen deutlich zum Ausdruck bringen, ist das fehlende Vertrauen in eine Politiklandschaft, die von eigenen Interessen, von Inkompetenz und mangelnder Transparenz geprägt ist. Also genau von dem, was die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr wollen. Und schon stellt sich die grundsätzliche Frage nach der demokratischen Legitimierung von Kandidaten, die noch nicht einmal von 10% der Wahlberechtigten tatsächlich gewählt werden.

Der Wahlsieger erhält 6,66 % der wahlberechtigten Stimmen! – Ja, es gibt ein Ergebnis, doch ist das ein Ergebnis, auf das man als Kandidat nicht stolz sein sollte. Mit rund 30 % der wenigen abgegebenen Stimmen liegt der Sozialist Eric Elkouby vorne, gefolgt von Jean-Emmanuel Robert (Les Républicains) mit rund 19 % der abgegebenen Stimmen. Da man zum Erreichen der Stichwahl aber 12,5 % der wahlberechtigten Stimmen erhalten muss, wird es außer diesen beiden keiner in die Stichwahl schaffen. Und gäbe es die Regelung nicht, dass wenigstens die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen in die Stichwahl kommen, würden auch Eric Elkouby und Jean-Emmanuel Robert am nächsten Sonntag erneut antreten dürfen – denn 12,5 % der wahlberechtigten Stimmen haben auch diese beiden nicht erreicht – „Gewinner“ Elkouby wurde von 6,66 % der Wahlberechtigten gewählt!

Den Parteien scheint die hohe Zahl der Nichtwähler nicht sonderlich viel auszumachen. Und vor allem scheint die Botschaft der Wählerinnen und Wähler nicht durchzudringen. Und die lautet – „wir wollen endlich eine andere Politik!!!“ – doch ist es wahrscheinlicher, dass künftig überhaupt niemand mehr wählen geht, als dass sich die Parteien endlich anfangen selbst zu hinterfragen. Stattdessen feiert man sich selbst, spricht von einem „Erfolg“, fordert die Wähler der anderen Parteien auf, in der Stichwahl für den eigenen Kandidaten zu stimmen – und vermeidet geflissentlich das Thema der fast 80 % Nichtwähler.

Das politische Frankreich der V. Republik liegt am Boden. Interessant war bei der Nachwahl am Sonntag in Straßburg nicht etwa, dass nächsten Sonntag die beiden Kandidaten der PS und der „Les Républicains“ in der Stichwahl stehen – interessant ist vor allem, dass die Menschen aus dem aktuellen Politiksystem einfach aussteigen. Wie schade, dass die Parteien, ihre Führungen und die Kandidaten davon nicht viel mitbekommen. Es kommen ganz schwere Zeiten auf das politische Frankreich zu…

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