Wagner für die Nachbarn – die Saison 2014/15 der Rheinoper Straßburg

Das Programm der neuen Spielzeit an der Nationaloper Straßburg richtet sich einmal mehr an das Publikum aus der ganzen Region - auch an das deutsche Publikum.

20 % der Besucher der Nationalen Rheinoper in Straßburg kommen aus Deutschland. Das Programm trägt dem Rechnung. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(Von Michael Magercord) – Wenn die Opera National du Rhin (OnR) in Straßburg ihre Saison programmiert, dann verfährt sie nach einer strengen Rezeptur: Eine komische Oper, eine selten gespielte französisches Werk, dazu was Leichtes und ebenso etwas ganz Neues, dann noch ein Stück für die lieben Nachbarn, und eine klassische Großoper zum Saison-Abschluss, die Lust auf die folgende machen soll.

Diese Rezeptur scheint aufzugehen, denn die elsässische Rheinoper erfreut sich einer hohen Auslastung von weit über 90 Prozent, und sie ist zukunftsträchtig, denn dieses Publikum ist das jüngste in Frankreich, wo ein Zuschauer mit 47 Durchschnittslebensjahren ohnehin schon jünger ist, als etwa einer in Deutschland. Ebenso stolz, wie der belgische Direktor Marc Clemeur auf diese Statistik verweist, präsentierte er nun das neue Programm für die Saison 2014/2015, dem diese Rezeptur zugrunde liegt.

Den Anfang macht das Neuste: Kay West, oder französisch Quai Ouest, ist eine eigens von der OnR bestellte Auftragsarbeit nach einem Drama des einstigen Straßburger Theatermachers Bernard Marie Koltes. Die Musik stammt von dem Film- und Vokalkomponisten Regis Campo, Jahrgang 1968. Filmisch die Szenerie: Ganovenmilieu in den Docklands von New York, trist die Story: Ein Mann will sich ersäufen. Regisseur ist der junge Kristian Frédric, ein Autodidakt, der von sich sagt: „Learning by doing a lot of things, but nothing real”. Aber „real“ geht es auf einer Bühne ja auch nicht zu.

Das spannende Neue wird entspannt durch das gut erprobte Legere und Leichte. Jacques Offenbach und seine Sicht auf „Das Leben der Pariserinnen“ sorgt für unterhaltsamen Trubel. Gedacht war das Werk als Spiegel, den es einer dekadenten Gesellschaft vorzuhalten gelte: die Dauerfete als Kritik an der Dauerfete. Diese Form der Gesellschaftskritik wird in einem Land, das sich seit geraumer Zeit in einen Krisenmodus hineinredet, wohl nicht mehr greifen, aber damit es wenigsten gut unterhält, hat der Straßburger Claude Schnitzler die musikalische Leitung übernommen, der in der österreichischen Heimat des beschwingten Walzers seine Dirigentenausbildung absolviert hat.

Das Komische und Burleske wird vertreten durch Cimarosas „Il Matrimonio segreto”, ein Ausflug in das Wien zu Zeiten Mozarts. Auch der steuert ein Werk zum Programm bei, sein letztes: „La Clemenza di Tito”, in Straßburg unter der Regie von Katharina Thoma, der jungen Regisseurin, die als aufsteigender Star am deutschen Regietheaterhimmel gehandelt wird. Und den Saisonabschluss bestreitet einmal mehr Regisseur Robert Carson mit Tschaikovskys Pik Dame. Spielsucht in Zeiten von Computerspielen – mal sehen, was dem Kanadier, der zu clownesken Überzeichnungen neigt, dazu einfällt.

Für das französisch Seltene ist ein Werk von Paul Dukas vorgesehen. „Ariane und Blaubart”, eine Geschichte um den Wunsch nach Freiheit, und vor allem darüber, warum man sich für die Freiheit anderer stark macht, die sie gar nicht wirklich fordern: Ist das Gegenteil von gut eben doch gutgemeint? An dem Thema arbeitet sich der meinungsstarke Erfolgsregisseur Olivier Py ab, der in diesem Jahr dem Festival von Avignon als Direktor vorstand und zuvor angekündigt hatte, das Direktorat abzugeben, wenn der Front National die Kommunalwahlen dort gewonnen hätte. Das ist nicht geschehen, und die Europastadt Straßburg ist im Unterschied zu so manchen Orten im Elsass in dieser Hinsicht ohnedies ziemlich resistent.

Die gar nicht so fremden Nachbarn sind im Elsass ja nie weit, und so gehört in das Opern-Programm auch immer ein Stück, das besonders ihrem Geschmack nahekommt, denn immerhin machen sie 20 Prozent des Publikums aus. Wie so oft wird für sie Wagner gegeben, dieses Mal „Tristan und Isolde”. Der musikalische Leitung wird Axel Kober haben, der in diesem Jahr in Bayreuth den Tannhäuser dirigieren wird, das Bühnenbild stammt von Anthony McDonald, einem erfahrenen Wagnerianer aus England.

Das soll aber dieses Mal nicht alles für die lieben Nachbarn gewesen sein. Der Direktor der Rheinoper hat sich was ganz besonderes ausgedacht: Bereits im Oktober wird ein lyrisch-zärtliches Stück mit dem freundschaftlichen Titel „Amico Fritz“ in der Rheinoper zu sehen und zu hören sein – eine italienische Oper von Pietro Mascagni vom Ende des 19. Jahrhunderts, die in einem Land spielt, das verdächtig an das Elsass erinnert: Liebe und Eifersucht in Weinbergen. Diese Inszenierung stellt den Beginn einer Serie von Stücken dar, die in Kooperation mit anderen Bühnen erstellt werden und gleichsam lokalen Anstrich haben sollen. An diesem Freundchen Fritz ist die Oper Nürnberg beteiligt.

Marc Clemeur, der zuvor die Oper Antwerpen leitete, sieht in dem Stück nach einer Novelle von Erckmann-Chatrian aber vor allem eine Liebeserklärung an die Süße des Lebens im Elsass. Ihn, den Flamen, erinnere die Lage des Ländchens in der Schnittstelle zwischen lateinischer und germanischer Kultur an seine belgische Heimat. Dort ist das Verhältnis unter den Nachbarn zwar konfliktreicher, dafür aber sei noch kein einziger Tropfen Blut geflossen. Auf der Opernbühne von Straßburg hingegen sollte diese Saison Blut fließen, aber hoffentlich nicht nur Theaterblut, sondern vor allem reichlich Herzblut.

Vorschau auf die Premieren 2014/2015

Campo
Kay West
Regie: Kristian Fredric
27. September 2014

Mascagni
L’Amico Fritz
Regie: Vincent Boussard
24. Oktober 2014

Offenbach
La Vie parisienne
Regie: Waut Kloeken
13. Dezember 2014

Respighi
La Belle au bois dormant
Regie: Valentina Carrasco
19. Dezember 2014

Mozart
La Clemenza di Tito
Regie: Kathrina Thoma
6. Februar 2015

Wagner
Tristan und Isolde
Regie: Antony McDonald
18. März 2015

Cimarosa
Il Matrimonio segreto
Regie: Christophe Gayral
20. März 2015

Dukas
Arina et Barbe-Bleue
Regie: Olivier Py
26. April 2015

Tschaikovsky
La Dame de pique
Regie Robert Carson
16. Juni 2015

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