Der Propaganda-Krieg

Vor 5 Monaten überfiel Russland die Ukraine. Seitdem herrscht ein nie erklärter, brutaler Krieg und wir erleben eine unglaubliche Propaganda-Schlacht.

Wenn niemand diesen Krieg will, warum wird dann so wenig unternommen, ihn zu beenden? Foto: Singlespeedfahrer / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der ukrainische Präsident Wolodomyr Selensky freut sich bereits auf den Sieg. Russland vermeldet die Einnahme des zweitgrößten Kohlekraftwerks der Ukraine. Das größte Atomkraftwerk der Ukraine ist unter russischer Kontrolle. Selensky verspricht den Europäern die Lieferung von Strom im kommenden Winter. Die USA vermelden 75.000 gefallene oder verwundete russische Soldaten. Die Ukraine vermeldet als „Erfolg“, dass man Brücken auf dem eigenen Territorium bombardiert und diese unbrauchbar gemacht habe. Der russische Außenminister Lawrow verkündet neue Ziele der russischen Offensive. Russland drosselt seine Gaslieferungen. Die „Experten“ rätseln immer noch, ob die westlichen Sanktionen eher Russland oder Europa treffen. Die vereinbarten Getreidetransporte kommen nicht in die Gänge. Und jeder erzählt, was ihm gerade in den Propaganda-Kram passt. Und der Westen? Der Westen agiert nicht, sondern reagiert. Indem er die Forderungen Selenskys erfüllt. Doch wo soll dieser Krieg hinführen? Welche Strategie verfolgt der Westen?

Nach 5 Monaten des Kriegs fangen die Ansagen an, unglaubwürdig zu klingen. „Nur noch ein paar Waffensysteme, noch ein wenig Geld und schon bald wehr wieder die ukrainische Flagge über den befreiten Städten“, so die Ansage aus Kiew und der Westen folgt brav. Denn immerhin, so das westliche Narrativ, in der Ukraine werden europäische Werte, ja sogar die Zukunft Europas entschieden. Fragen, um was für Werte es in diesem hoch korrupten Land geht, sollte man lieber nicht stellen, denn wer sich nicht zu 100 % am Personenkult um Selensky beteiligt, wird sofort als Putin-Versteher abgestempelt.

Bei den russischen Ansagen verhält es sich ähnlich. Moskau hält weiterhin das Märchen von einer „Spezialoperation“ aufrecht, bei der die Ukraine „denazifiziert“ werden soll, vermeldet „Erfolge“, wo die russische Armee ins Stocken gerät, erzählt von „erfolgreichen“ Angriffen auf alle möglichen Ziele, von denen es viele überhaupt nicht gibt und nun bereitet Moskau einen Schauprozess gegen „200 Söldner, die für die Ukraine kämpfen“ vor, denn „Söldnertum“ ist in Russland verboten. Dass an der Front die russische Söldnertruppe „Wagner“ verheerend unterwegs ist, interessiert dabei nicht mehr.

Gleichzeitig bricht im Westen das Chaos aus. Explodierende Energieprise, unterbrochene Lieferketten und Produktionslinien, eine Inflation, die zwangsläufig zu massiven sozialen Spannungen führen wird, Hunger-Szenarien überall dort, wo man sich die galoppierenden Preise für Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten kann, doch scheint der Westen den Zusammenbruch der eigenen Systeme billigend in Kauf zu nehmen.

Das alles hält uns allerdings nicht davon ab, weiterhin fossile Energieträger von Russland zu kaufen, damit diesen Krieg weiter zu finanzieren und man muss feststellen, dass es keinerlei Strategie oder Perspektive für diesen Krieg gibt. Folglich wird sich auch dieser III. Weltkrieg so entwickeln wie die beiden letzten Weltkriege – er wird Jahre dauern, sich immer weiter ausbreiten, andere Regionen betreffen, die Wirtschaft in ganz Europa, aber auch dem Rest der Welt beeinträchtigen und unser aller Leben nachhaltig prägen.

Als einziges Ziel wurde bisher definiert, „dass Putin den Krieg nicht gewinnt“. Doch was diese Aussage bedeutet, darüber spricht niemand. Wenn man aber alle Propaganda wegstreicht und nur nüchtern die Fakten betrachtet, so muss man feststellen, dass die russische Armee inzwischen rund 20 % des ukrainischen Territoriums besetzt hat, sich immer weiter ins Landesinnere schiebt und die kurzzeitigen „Erfolge“ der ukrainischen Armee sind Scharmützel, die im gesamten Kriegsgeschehen kaum ins Gewicht fallen.

Man wird über kurz oder lang nicht umhin kommen, sich Gedanken über die Ziele dieses Kriegs zu machen und auch darüber, wie es weitergehen soll, wenn die Kampfhandlungen eines Tages enden werden. Täglich Millionen in die Ukraine zu pumpen, damit Kiew mehr Waffen im Westen kaufen kann, wird irgendwann nicht mehr möglich sein. Und vor allem, es wird nichts nützen, so zumindest die einhellige Meinung der Militärexperten, die übereinstimmend davon ausgehen, dass es militärisch nur eine Chance gäbe, wenn zahlreiche NATO-Truppen in der Ukraine gegen die russische Armee kämpfen würden. Doch das steht nicht auf der Agenda der NATO, die verständlicherweise zögert, Russland den „totalen Krieg“ zu erklären.

Einfach der Entwicklung zuzuschauen und weiter Geld und Waffen in die Ukraine zu pumpen, wird als Strategie nicht ausreichen. Da reicht es dann auch nicht mehr, dass sich die europäischen Spitzenpolitiker in Kiew die Klinke in die Hand geben und stolz in olivgrünen T-Shirts mit Selensky posieren. Statt Fototerminen und viel Kommunikation wird sich die europäische Politik mit der Frage beschäftigen müssen, wie diese Situation weitergehen soll. Je früher man sich mit dieser Frage beschäftigt, desto besser. Denn ansonsten wird das eintreten, was Selensky, aber auch Annalena Baerbock so sehr fürchten – die „Kriegsmüdigkeit“ der Bevölkerung. Aber ist „Kriegsmüdigkeit“ nicht eine völlig nachvollziehbare, ja, sogar gesunde Haltung?

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