Die Daten sind frei (im Weltraum) – sagt zumindest der BND

Frankreich regt sich gerade völlig zu Recht darüber auf, dass der BND auch seinen Außenminister Laurent Fabius abgehört hat. Und den Elysee-Palast. Und die Europäische Kommission. Und eigentlich alle.

Das sind die Verbindungen der NSA auf der Welt (und auch nur diejenigen, deren Existenz die NSA zugibt). Foto: U.S. National Security Agency / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Wie mächtig Geheimdienste nicht nur in den USA, sondern auch in Europa sind, zeigt der aktuelle Skandal um den Bundesnachrichtendienst, den BND. Inzwischen ist aber auch klar, dass dieser nicht nur lange Jahre lang alles und jeden für die Freunde bei der NSA ausspioniert hat, dass er nicht nur die Arbeit des Untersuchungsausschusses des Bundestags (also unserer gewählten Volksvertreter) erschwert bis unmöglich gemacht hat, sondern dass er auch in der Lage ist, eine schräge Rechtsauffassung selbst gegen klare Stellungnahmen des zuständigen Ministeriums durchzusetzen.

Die Verbraucherschützer geben sich größte Mühe, den Datenschutz in Europa irgendwie voran zu bringen, wenigstens so etwas wie grundlegende Standards zu definieren und möglichst auch durchzusetzen – doch diese Arbeit könnten sie sich eigentlich schenken. Denn der BND, in unser aller Namen, hat das Thema Datenschutz schlicht und ergreifend außer Kraft gesetzt. Dass er dafür auch nicht „Rechtfertigungen“ beim Ministerium eingereicht hat, die jeder Beschreibung spotten, ist dabei schon fast zynisch. Denn in der Tat macht der BND genau das, was er will und entzieht sich dabei faktisch der Kontrolle.

Doch weil diese „Rechtfertigungen“ eigentlich jeder Beschreibung spotten, schauen wir uns einmal zwei von ihnen genauer an. Da wäre beispielsweise die Weitergabe von „Meta-Daten“ an die NSA, die allmächtige Dachorganisation der amerikanischen Geheimdienste. Nicht ein paar, nein, 500 Millionen „Meta-Daten“. Denn, so die Begründung des BND, „Meta-Daten“ seien eigentlich keine so richtig personenbezogenen Daten. Ach ja? „Meta-Daten“ sind Datensätze, die so „unpersönliche“ Daten enthalten wie die Telefonnummer, Email-Adresse, die IP-Adresse und andere Elemente, die eine eindeutige Zuordnung zu der Person ermöglichen, der diese Daten gehören. Persönlicher geht es eigentlich gar nicht.

Das fanden auch die Datenschutzbeauftragte und der zuständige Mitarbeiter im Bundeskanzleramt und teilten mit, wie verschiedene Medien berichten, dass sie die Erklärungen des BND für falsch und rechtswidrig bezeichneten. Diese Rückmeldung der für Geheimdienste zuständigen Aufsichts- und Steuergremien dürfte beim BND amüsiertes Schmunzeln hervorgerufen haben. Falls sie überhaupt eine Reaktion ausgelöst hat, denn passiert ist in der Folge – nichts.

Oder nehmen wir die abenteuerliche Rechtfertigung, man dürfe Daten sammeln und weitergeben, wenn man dazu Satelliten im Weltraum nutzen würde, denn da sich Satelliten im Weltraum befänden, würde dort schließlich kein deutsches Recht gelten, nach dem die Abhörerei, Datensammelei und Weitergabe an die NSA illegal wäre. Und da das alles eben über Satellit ging und nach dieser Rechtsauffassung nicht illegal war, war es eben legal. Basta.

Auch bei der Aufklärung des Abhörskandals, mit dem ein Untersuchungsausschuss des Bundestags beauftragt ist, zeigen sich die Geheimdienstler wenig kooperativ. So durften die Mitglieder des Untersuchungsausschusses, immerhin alle gewählte Mitglieder des Bundestags, die „Selektorenlisten“ (also die Listen mit den Schlüsselwörtern, nach denen der BND im Auftrag der NSA spionierte) einsehen, sondern nur ein einziger und auch das nur nach langen Verhandlungen zwischen Ausschuss, Bundeskanzleramt und BND. Auskünfte werden regelmäßig mit dem Hinweis verweigert, dass dies die Sicherheitsinteressen Deutschlands berühren würde. Na dann.

Doch ob der BND mit einer „Das geht euch alle gar nichts an“-Haltung weiterhin durchkommen wird, ist fraglich. Denn das vermutliche Abhören von Außenminister Laurent Fabius hat in Frankreich heftige Empörung hervorgerufen. Und nun möchte Frankreich, wie Präsident Hollande gestern sagte, nicht nur umfassende Aufklärung, sondern auch die zugehörigen Dokumente erhalten. Vollständig. Also die Dokumente, die der BND sogar den deutschen Bundestagsabgeordneten vorenthalten hat. Er wird zwar wohl nicht den französischen Abgeordneten mehr Informationen zugestehen als den deutschen, aber jetzt endlich reagieren auch die ausgespähten Partner.

Was bleibt, ist eine handfeste diplomatische Verstimmung, die sich allerdings in Grenzen halten dürfte, denn es ist kaum anzunehmen, dass die französischen Geheimdienste weniger aktiv wären. Insofern wird man sich nun erst einmal in Paris entrüstet, in Deutschland zerknirscht zeigen, und dann wird man schnell zur Tagesordnung übergehen. Denn was die Aktivitäten von Geheimdiensten angeht, sollte sich besser kein westliches Land zu weit aus dem Fenster lehnen.

Und das wiederum sollte uns zu denken geben, denn es betrifft auch jeden einzelnen von uns. Diese allumfassende Überwachung ist eine Verletzung der persönlichen Freiheitsrechte, eine totalitäre Gefahr und hat inzwischen ein Eigenleben abseits aller Kontrollmechanismen oder auch nur Gesetze entwickelt. Wobei das systematische Ausspähen von allem und jedem auch einen hohen Preis – Geld, von dem man sich fragen muss, ob es wirklich so gut investiert ist.

Wie so oft gibt es leider nur einen Weg, hieran etwas zu ändern – es geht nur über den Druck der Zivilgesellschaft auf die Politik, sich für dieses Thema erst zuhörend, dann handelnd zu engagieren. Das hat schon einmal funktioniert – auch wenn es über 30 Jahre gedauert haben wird und auch noch nicht abgeschlossen ist – der Ausstieg aus der Atomkraft wurde von der engagierten Zivilgesellschaft initiiert und ermöglicht. Man muss eben konsequent wählen gehen, sich möglichst persönlich engagieren und einen ganz langen Atem haben. Sonst geht das alles noch ewig so weiter.

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