Die G7-Staaten wollen den Westen neu erfinden

Der Ukraine-Krieg schweißt den Westen zusammen. Unter dem russischen Druck trifft man Entscheidungen, auf die man ansonsten kaum gekommen wäre. Das ist gut und gleichzeitig gefährlich.

Die G7-Staaten demonstrieren Einigkeit. Besser spät als nie... Foto: White House / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Selten hat ein G7-Gipfel derart viele konkrete Ergebnisse erbracht wie das Treffen in Elmau in den bayerischen Alpen. Nicht nur, dass man künftig russisches Gold boykottieren will, dazu stellen die G7-Länder einen Milliardenbetrag bereit, um die Lebensmittelversorgung sicherzustellen, wo diese durch ausbleibende Getreidelieferungen gefährdet oder sogar unterbrochen ist. Und nachdem die G7 seit 2009 die Entwicklung rund um die BRICS-Staaten verschlafen hatten, will man nun ein vergleichbares Projekt zur „Seidenstraße 2.0“ aufsetzen, für das 600 Milliarden Dollar bereitgestellt werden sollen. Man könnte fast das Gefühl bekommen, dass Wladimir Putin mit seinem Angriffskrieg in der Ukraine den westlichen Bündnisse, von NATO über EU bis zum G7 neues Leben eingehaucht hat.

Dass der Westen angesichts des Ukraine-Kriegs nun so eng zusammenrückt, dürfte dem Kreml-Chef dann doch beunruhigen. Vermutlich hatte er damit gerechnet, dass die Reaktion des Westens auf seinen Einmarsch in die Ukraine ähnlich lau würde wie 2014, als die Annektierung der Krim lediglich „Irritationen“ im Westen ausgelöst hatte, ohne dass sich jemand ernsthaft darum bemüht hätte, Russland aus der Ukraine fernzuhalten. Doch wird Kriegsherr Putin, in dessen Propaganda Russland das Opfer eines vom Westen initiierten Kriegs sei, auf das Zusammenrücken des Westens mit weiteren Eskalationen reagieren, wie man es bereits in den letzten Tagen sah, als Russland immer intensivere Bombardierungen ukrainischer Städte im ganzen Land flog.

In diesem Zusammenhang muss man auch die Ankündigung der Stationierung russischer Iskander-Raketen in Belarus bewerten, ebenso wie die russischen Drohungen in Richtung Litauen und anderer Länder. Und immer wieder stellt sich die Frage, wo das alles enden soll. Das ohnehin schon brüchige Wirtschafts-Gleichgewicht hat sich völlig in Richtung Osten verschoben, was allerdings auch bedeutet, dass viele der gegen Russland verhängten Sanktionen Russland nur wenig treffen – Moskau verkauft seine Rohstoffe nun eben in Richtung Osten. Militärisch steht die russische Armee trotz hoher Verluste momentan dort, wo sie stehen will, der Donbass ist unter russischer Kontrolle, die Krim aus dem Blickfeld der Ukraine verschwunden und die Besetzung und Zerstörung ganzer ukrainischer Landstriche geht unaufhaltsam weiter.

Noch werden die G7-Staaten Russland nicht gefährlich. Zur Explosion wird es erst dann kommen, wenn Putins Armee einen Fuß auf NATO-Territorium setzt, was aber momentan nicht der Fall ist. Ob die Beschlüsse vom bayrischen G7-Gipfel das Ruder noch herumreißen können, ist fraglich. Und ebenso schwer zu verstehen ist, warum die 7 führenden Industrienationen dieses Planeten so wenig über Möglichkeiten sprechen, Alternativen zum III. Weltkrieg zu finden. Haben sich etwa bereits alle damit abgefunden, dass dieser III. Weltkrieg stattfinden wird?

Immerhin, es ist Leben in diese westlichen Bündnisse gekommen, die plötzlich gar nicht mehr so „hirntot“ sind, wie sie noch vor kurzer Zeit dargestellt wurden. Ob dieser neue Zusammenhalt die Weltlage beruhigen kann, ist allerdings fraglich.

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