Die Lage im AKW Saporischschja wird dramatisch

Nach Angaben des ukrainischen Betreibers des größten Atomkraftwerks Europas Energoatom ist das komplette Kraftwerk aufgrund von Brandschäden vom Netz genommen worden. Niemand weiß, wie sich die Lage weiter entwickelt.

Dieses Foto der ukrainischen Polizei soll Saporischschja nach einem russischen Angriff zeigen. Foto: npu.gov.ua / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Ob sich die Zukunft Europas in der Ukraine entscheiden wird, wie Präsident Selensky nicht müde wird zu wiederholen, wird die Zukunft zeigen. Doch für Europa ist die inzwischen von den Russen kontrollierte Region Saporischschja unter Umständen noch entscheidender. Denn das größte Atomkraftwerk Europas inbetrieben von ukrainischen Technikern, wird rings um die Anlage geschossen und gekämpft, wobei sich beide Seiten gegenseitig beschuldigen, das AKW zu gefährden. Vier der sechs Reaktoren mussten bereits heruntergefahren werden und gestern nahm Betreiber Energatom auch die letzten beiden Reaktoren vom Netz. Die Beteuerung, die Sicherheitssysteme würden weiterhin funktionieren, ist wenig beruhigend. Denn die Kämpfe gehen weiter.

Nach wie vor haben die Experten der Internationalen Atombehörde IAEA keinen Zugang zu der Anlage, obwohl beide Seiten beteuern, diesen Zugang gewähren zu wollen – alleine, sie tun es nicht. Zunächst weigerte sich die Ukraine, den Experten der IAEA Zutritt zu gewähren, mit der Begründung, dass dies „faktisch die Anerkennung der Übernahme der Anlage durch die Russen sei“, dann wieder luden die Russen die Experten ein, ohne dass sich diese Einladung konkretisiert hätte. Doch in der Zwischenzeit gehen die Kämpfe rund um das AKW weiter und es reicht ein einziger Fehler einer der beiden Seiten, um Europa auf lange, lange Jahre zu verstrahlen.

Russland als Aggressor müsste seine Soldaten von diesem neuralgischen Punkt abziehen, doch denkt Putin nicht im Traum daran, ein derart wertvolles Faustpfand einfach wieder abzugeben. Für weite Teile der Ukraine hängt an Saporischschja die Stromversogung und das Abschalten aller sechs Reaktoren ist ein bedenkliches Zeichen. Für die Ukraine und für ganz Europa.

„Das werden die nieee machen“, hörte man noch vor wenigen Wochen und Monaten die „Experten“ des Westens, die offenbar immer noch davon ausgehen, dass in der Ukraine ein „sauberer Krieg“ stattfindet, bei dem sich beide Seiten an ritterliche Regeln halten. Doch Krieg hat nichts Ritterliches, Krieg ist eine dreckige Angelegenheit, bei der alle Kriegsparteien alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen.

Wer immer auf dieses AKW schießt, ist ein verantwortungsloser Schwerverbrecher, der mit dem Schicksal des ganzen Kontinents spielt. Was nun dringend erforderlich ist, im Interesse aller Beteiligten, ist es, die Propaganda-Schlecht rund um Saporischschja zu beenden und den internationalen Behörden eine objektive Bestandsaufnahme zu ermöglichen. Dies ist unbedingt erforderlich, bevor das AKW Saporischschja einen Super-GAU erlebt, gegen den Tchernobyl und Fukusima ein müdes Lüftchen waren.

Jegliche weitere Waffen- und Geldlieferung an die Ukraine, jegliche Im- und Exporte von und nach Russland, müssen sofort gestoppt werden, bis die Situation im AKW Saporischschja geklärt und gesichert ist. Angesichts der Tatsache, dass der Westen weitaus stärker in diesem Krieg engagiert ist, als man das offiziell sagt, muss nun der maximale Druck auf beide Kriegsparteien ausgeübt werden, um eine nukleare Endzeit-Katastrophe zu verhindern.

Und es zeigt sich, dass das Konzept der Atomkraft genau hier seine größte Schwachstelle hat – man kann ein AKW nicht gegen kriegerische oder terroristische Handlungen sichern. Dies sollte bei der künftigen Debatte über die Atomkraft berücksichtigt werden. Denn wer auf dem Vulkan tanzt, kann auch versehentlich in den Krater stürzen. Und diese Gefahr ist momentan in Saporischschja gegeben. Abwarten, wie sich diese Situation entwickelt, kann keine Option sein.

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