Die Luft wird dünn für Ursula von der Leyen

Die stark kritisierte Präsidentin der Europäischen Kommission steht im Fadenkreuz der belgischen Justiz. Doch anders als bei ihrer McKinsey-Affäre im Verteidigungsministerium in Berlin, hält heute keine Angela Merkel mehr ihre Hand über Von der Leyen.

Langsam wird Ursula von der Leyen für die EU untragbar. Foto: Kuhlmann/MSC / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Es ist wie im Jahr 2019 – im Mittelpunkt der neuerlichen Affäre um Ursula von der Leyen steht einmal mehr ihr Handy. Und mit Handys hat Ursula von der Leyen so ihre Probleme. Doch nun hat die belgische Justiz eine Klage eines Belgiers angenommen, wobei der Präsidentin der Europäischen Kommission vorgeworfen wird, während der COVID-Pandemie ohne ein entsprechendes Mandat einen Mega-Vertrag über die Lieferung von Impfdosen per SMS mit dem Vorstandsvorsitzenden von Pfizer, Albert Bourla, ausgehandelt zu haben. Das dies nicht so ganz richtig war, scheint Ursula von der Leyen durchaus verstanden zu haben, denn sie hat vorsorglich den SMS-Austausch mit dem Pfizer-Chef gelöscht. Mal was anderes. Bei ihrem McKinsey-Skandal in Berlin hatte sie das entsprechende Handy blöderweise „verloren“. Wie gut, dass die belgischen Behörden gerade dabei sind, in den europäischen Institutionen aufzuräumen…

Die Verträge zwischen der EU und Pfizer waren in der Tat seltsam. Mehrere Europaabgeordnete musste monatelang darum kämpfen, Einsicht in diese Verträge nehmen zu können und als dies nicht länger abgelehnt werden konnte, wurden ihnen unlesbar eingeschwärzte Kopien vorgelegt, auf denen pro Seite noch zwei oder drei Wörter lesbar waren, ohne dass das Dokument hätte gelesen werden können. Der offizielle Grund für diese Heimlichtuerei war der „Schutz der Geschäftsgeheimnisse von Pfizer“ – der offenbar höher eingestuft wurde als das Recht auf Information der Bürgerinnen und Bürger der EU, etwas über den Verbleib der europäischen Milliarden zu erfahren.

Auch der Skandal, der von Brüssel so gut wie möglich unterdrückt wurde, als die Kommission der von Heiko von der Leyen geleiteten italienischen Niederlassung eines amerikanischen Pharma-Unternehmens im Rahmen einer Ausschreibung 320 Millionen Euro zuschusterte, obwohl diese italienische Firma zu Zeitpunkt der Ausschreibung erst gegründet und rechtlich noch nicht operationell war, ist unglaublich. Zwar musste Heiko von der Leyen seinen Posten bei dem Unternehmen räumen, aber dieses durfte die 320 Millionen Euro behalten. Dass es sich hier um ein Schulbeispiel für einen Interessenskonflikt handelte, wollte niemand bemerkt haben. Die Behörde ging sogar so weit zu behaupten, man habe nicht bemerkt, dass es sich bei Herrn von der Leyen um den Ehemann von Frau von der Leyen gehandelt hatte. Stimmt, bei so einem Allerweltnamen konnte auch niemand auf die Idee kommen, dass die beiden eine familiäre Verbindung haben…

Doch die belgische Justiz, die gerade mit dem Korruptions-Skandal im Europäischen Parlament beschäftigt ist, wird Ursula von der Leyen keine Geschenke machen. Das Löschen ihrer SMS mit dem Pfizer-Boss ist streng genommen die Vernichtung von Beweismitteln. Ist sie mit einer solchen Nummer in Berlin als Verteidigungsministerin dank Angela Merkel gerade noch der Justiz von der Schippe gesprungen, so wird ihr in Belgien wohl kaum jemand aus der Patsche helfen.

Eine weitere Klage gegen Ursula von der Leyen wurde von der „New York Times“ in Brüssel eingereicht, da sie sich weigerte, einem Journalisten den Inhalt ihres SMS-Austauschs mit Pfizer zu zeigen, obwohl die Grundrechte-Charta der EU eindeutig das Recht jedes EU-Bürgers festschreibt, jedes offizielle Dokument der EU einzusehen und zwar „gleich auf welchem Medium“, was auch SMS einschlieβt.

Für viele Europäerinnen und Europäer ist Ursula von der Leyen heute der Inbegriff der institutionellen Korruption und zahlreiche internationale Medien fragen sich heute, wie es sein kann, dass Ursula von der Leyen nicht zurücktritt. Doch Ursula von der Leyen scheint von der gleichen Pathologie betroffen zu sein wie der französische Präsident Emmanuel Macron. So, wie Macron glaubt, über Frankreich zu herrschen, meint Ursula von der Leyen, dass sie über Europa herrscht.

Es ist gut, dass die belgischen Behörden sehr aktiv den Vorwürfen und Klagen folgen und offenbar versuchen, den Brüsseler Augias-Stall aufzuräumen. Mit ihren zahlreichen Skandalen ist Ursula von der Leyen an der Spitze der Europäischen Kommission nicht mehr tragbar. Sie gehört zu denjenigen politischen Verantwortungsträgern, die Europa ruinieren und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institutionen grundlegend erschüttern.

Bei der Europäischen Kommission mag man den Vorgang nicht kommentieren, es wurde lediglich bestätigt, dass man auf dem Laufenden sei. Es wird immer deutlicher, dass die aktuelle Struktur der europäischen Institutionen nicht mehr zeitgemäβ und mit ihren seltsamen Regeln wie der Einstimmigkeit, auch nicht mehr effektiv ist. Die europäischen Institutionen müssen reformiert werden, das Europäische Parlament muss aufgewertet und die Kommission abgeschafft werden. In der heutigen Zeit sind Institutionen, deren Handeln auf Absprachen hinter verschlossenen Türen beruht, einfach nicht mehr angesagt und will man die europäische Demokratie retten, dann muss sie reformiert werden. Der Europarat in Straβburg könnte eine wirksame diplomatische Einheit der EU werden und der Brüsseler Korruptionssumpf sollte durch neue und transparente Strukturen ersetzt werden. Sonst könnte es in absehbarer Zeit passieren, dass der EU die Menschen abhandenkommen.

Man darf gespannt sein, welche Schritte nun von der belgischen Justiz unternommen werden und ob und wie lange sich Ursula von der Leyen an ihrem Posten festklammern kann. Sehr lange kann das eigentlich nicht mehr dauern…

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