Ist Polen das neue Großbritannien?

Der Auftritt des polnischen Regierungschefs Mateusz Morawiecki im Europäischen Parlament in Straßburg konnte die Europaabgeordneten nicht überzeugen…

Ein ganz schwacher Auftritt des polnischen Regierungschefs Mateusz Morawiecki in Strassburg. Foto: ©EU2021-EP

(KL) – Wenn man Mateusz Morawiecki, den polnischen Regierungschef, zum Thema Europa hört, denkt man unwillkürlich an Margret Thatcher, die frühere Regierungschefin Großbritanniens, die einstmals den britischen Eintritt in die EU managte und dabei derart viele Sonderregeln für das Vereinte Königreich herausholte, dass die Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU von vornherein so gestört waren, dass Jahrzehnte später der „Brexit“ eine Realität wurde. Was das damalige Großbritannien und das heutige Polen gemeinsam haben, ist die Ablehnung der Grundregeln der EU. Und offenbar versteht Polen ebenso wenig wie Großbritannien, dass die EU kein Menü ist, aus dem man sich die Rosinen (sprich: Subventionen) herauspickt, sicher aber an den Rest der Regeln nicht zu halten hat.

Nachdem das polnische Verfassungsgericht geurteilt hat, dass Europäisches Recht nicht über polnischem Recht gelten soll, hat die polnische Regierung eine Büchse der Pandora geöffnet. Und sich damit auf einen Holzweg begeben, der kaum anderswo hinführen kann als zu einem Bruch zwischen Warschau und der EU. Die Justizreform in Polen, bei der die Justiz faktisch unter politische Kontrolle gestellt wurde, ist ein eklatanter Verstoß gegen europäische Grundprinzipien der Demokratie. Dass die EU eine Rückkehr zu diesen demokratischen Grundprinzipien fordert und bereit ist, Polen Subventionen zu kürzen, ist nicht etwa „Erpressung“, wie Morawiecki in Straßburg sagte, sondern der Versuch, Polen davon abzubringen, sich selbst aus der europäischen Familie auszuschließen. Wobei alleine die Wortwahl des polnischen Regierungschefs eine diplomatische Unverschämtheit ist, die Polens Abkehr von demokratischen Regeln hinlänglich illustriert.

Im Grunde verhält es sich mit der EU wie mit einem ganz normalen Verein. - Wenn einem Mitglied die Satzung und die Geschäftsordnung nicht passen, dann ist es nicht Sache des Vereins, diese zu ändern, sondern Sache des Mitglieds, den Verein zu verlassen, wenn es keine demokratische Mehrheit findet, Satzung und/oder Geschäftsordnung zu ändern. Wenigstens das haben die Briten begriffen, was sie dann auch zu ihrem „Brexit“ veranlasst hat.

Allerdings will Polen die EU nicht verlassen, sondern weiter Subventionen ziehen. Politisch gibt es kaum einen Punkt, an dem Polen die EU-Politik mitträgt, es geht ums Geld. Um Milliarden. Und die möchte Polen gerne kassieren, ohne dafür im Gegenzug die Grundprinzipien der EU zu akzeptieren.

Allerdings sollte man nicht vergessen, dass Polen zum Zeitpunkt seiner Solidarnosc-Revolution wesentlich stärker an der NATO und den USA interessiert war, als an der EU. Das ist verständlich, herrschte damals doch eine konkrete Angst, dass die Sowjetunion den Freiheitsdrang der zentral- und osteuropäischen Länder mit Gewalt unterbinden könnte. Doch hat niemand Polen gezwungen, Mitglied der EU zu werden. Nur – mit der Mitgliedschaft geht auch die Anerkennung der Regeln der EU einher. Und da ist ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts eigentlich unerheblich.

Klare Antworten. - Die Antwort auf die Einlassungen des polnischen Regierungschefs kam schnell und eindeutig, vorgetragen unter anderem von der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen. „Wir werden nicht zulassen, dass unsere gemeinsamen Werte in Gefahr gebracht werden. Die Kommission wird handeln“, sagte sie. Wie dieses Handeln aussieht, das erfahren gerade sowohl Polen als auch dessen treue Verbündete in Ungarn. Die europäischen Mittel für den europäischen Wiederanlaufplan im Rahmen der Covid-Krise sind erst einmal auf Eis gelegt. Und dabei geht es nicht um Peanuts, sondern um 57 Milliarden Euro. Auf die Polen wohl verzichten muss, sollte sich das Land weiterhin weigern, die Spielregeln der EU zu akzeptieren.

Der von ihm selbst gewünschte Auftritt vor dem Europäischen Parlament in Straßburg brachte Mateusz Morawiecki wohl nicht das gewünschte Ergebnis. Denn die europäische Haltung ist ganz klar – entweder, ihr seid Teil von Europa, oder ihr seid es nicht. Eure Wahl.

Zu einem „Pol-xit“ wird es wohl nicht kommen, denn die polnische Bevölkerung steht mehrheitlich zur EU. Zehntausende demonstrieren momentan gegen die katastrophale Europapolitik ihrer Regierung und zeigen deutlich, dass die Polen gerne in Europa bleiben würden. Man darf gespannt sein, ob es die Ultranationalisten der polnischen Regierungspartei „PiS“ ihren britischen Kollegen gleichtun und versuchen werden, das Land aus der EU herauszuführen. Und ähnlich wie bei den Briten ist der Rest Europas inzwischen von den arroganten Alleingängen Warschaus (und Budapests) derart genervt, dass ihnen wohl kaum jemand eine Träne nachweinen wird…

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