Die Sorgen der Menschen ernstnehmen

Viele Parteien rätseln, wie sie das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen können. Dabei ist die Antwort ganz einfach – man sollte einfach mal die Sorgen der Menschen ernstnehmen…

Solche Bilder wird es künftig kaum noch zu sehen geben - wir opfern gerade die Welt auf dem Altar von "Big Business". Foto: Cassie Matias / Cass4505 / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Das Bild, das diesen Artikel illustriert, wird es so nicht mehr lange geben. Die Eisflächen an den Polen schmelzen ab, das „ewige Eis“ taut auf und der Klimawandel ist eine Realität, die schon in absehbarer Zeit Katastrophen auslösen kann, die das Leben auf diesem Planeten in seiner bisherigen Form gefährden. Doch die politischen Reaktionen auf die Forderung vieler, vor allem junger Menschen, sind halbherzig. Nach wie vor stellt die Politik selbstdefinierte Sachzwänge, wie die Befriedigung von Aktionären von umweltgefährdenden Unternehmen, auf die gleiche Ebene wie die Rettung des Planeten. Doch warum sollte man eine Partei wählen, für die eine Rettung unseres Planeten nur dann in Frage kommt, wenn sie nicht die finanziellen Interessen der Reichen stört?

Die Jugend der Welt geht gerade auf die Straße, um die Rettung unserer Welt einzufordern. Doch statt sich um die Inhalte dieser Forderung zu kümmern, kritisiert die Politik das „Schulschwänzen“ der jungen Leute, winkt lächelnd mit dem Verweis auf wirtschaftliche Notwendigkeiten ab. Kein Wunder, dass die Grünen in vielen Ländern Rückenwind haben, sind sie doch die einzigen, die bereit zu sein scheinen, wirtschaftliche Prozesse an den Erfordernissen der Umwelt auszurichten.

Arrogant meinen die einen, dass es sich gerade um eine „Klimahysterie“ handelt, selbstzufrieden sagen die anderen, dass die Zerstörung der Umwelt immerhin Arbeitsplätze sichert und wieder andere sind der Ansicht, dass es gar keinen Klimawandel gibt. Doch wenn man auf diese Art die Sorgen und Fragen der Bürgerinnen und Bürger vom Tisch wischt, gleichzeitig aber die Genehmigungen erteilt, mit denen weiter Umweltgifte wie das berühmt-berüchtigte Glyphosat in die Nahrungskette gebracht werden können, dann verspielt man langsam, aber sicher, seine Existenzberechtigung als politische Partei. Die Wählerinnen und Wähler haben das offenbar schneller begriffen als die traditionellen Parteien, die immer noch darüber rätseln, wieso sie gerade dabei sind, in die politische Bedeutungslosigkeit abzusinken.

Das gleiche gilt auch für andere Themen. Das soziale Gefälle in unseren Ländern ist ein ernstzunehmendes Problem. Fast 20 % der Deutschen leben an der Armutsgrenze und das ist auch in fast allen anderen Ländern so (mit ein paar Prozentpunkten Unterschieden). Folglich ist nachvollziehbar, warum die Menschen mehr soziale Gerechtigkeit verlangen, die ihnen immer wieder in Wahlkämpfen versprochen wird, ohne dass Maßnahmen ergriffen werden, die tatsächlich in diese Richtung gingen. Auch die Friedenspolitik ist ein solches Thema, an denen sich die Interessen der Bürgerinnen und Bürger und diejenigen der Lobbys und der Politik scheiden. Wollen wir wirklich Exportweltmeister für Waffen sein? Wollen wir wirklich Kriegsgerät in Krisengebiete und auf Schlachtfelder liefern? Wie immer wird auch hier der Sachzwang der Arbeitsplätze angeführt, doch niemand glaubt mehr dieser Klientelpolitik, die billigend in Kauf nimmt, dass die kommenden Generationen nicht mehr wie wir auf diesem Planeten leben können.

Im Internet-Zeitalter verfolgen die Menschen auf der ganzen Welt die Ereignisse praktisch in Echtzeit. Wenn wieder ein riesiges Stück auf der Polkappe herausbricht und schmelzend durch den Ozean dümpelt, dann sieht das die ganze Welt und niemand kann mehr behaupten, das seien „Fake News“. Insofern erleben die Menschen auch hautnah mit, wie die Politik nicht mehr in der Lage ist, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vor der Gier des „Big Business“ zu schützen. Da sollte sich dann niemand mehr wundern, wenn die Menschen ihr Wahlverhalten ändern und eben nicht mehr für die stimmen, die diese Entwicklung seit Jahrzehnten betrieben haben.

Das Herumdoktern an einem überholten Politik- und Gesellschaftssystem wird der Situation nicht mehr gerecht. Das „Weiter so!“ der „Strategischen Ziele“ der EU für die nächsten fünf Jahre auch nicht. Ob wir es wollen oder nicht, wir müssen neue Systeme entwickeln, mit denen die Herausforderungen der modernen Zeit gemeistert werden können. Und das funktioniert leider weder mit den Strukturen aus einer anderen Epoche, noch mit den Akteuren, die uns in diese Situation manövriert haben.

Frage: Warum gibt es keine Partei, die sich an die Arbeit macht, ein solches neues Politik- und Gesellschaftssystem zu entwickeln? Eine solche Partei, die nicht als Selbstzweck, sondern im Dienst der Bürgerinnen und Bürger arbeitet, hätte alle Chancen auf Erfolg. In Ermangelung besserer Alternativen wählen die Menschen jetzt eben Grün – aber auf Dauer wird das auch nicht reichen. Und was wäre, wenn die nächste Revolution nicht blutig auf der Straße ablaufen, sondern im intelligenten Konsens zwischen den Pfeilern der Gesellschaft erarbeitet würde?

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