Die SPD ist wie eine verwelkende Blume…

Nach 150 Jahren Sozialdemokratie scheint die SPD am Boden der Geschichte angekommen zu sein. Erstaunlich, dass sie trotz aller Wahlniederlagen immer noch nicht bereit ist, sich neu aufzustellen.

Eigentlich müssten im Willy-Bradt-Haus in Berlin alle Alarmglocken durchklingeln... Foto: De-okin / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – 73 Jahre lang stellte die SPD im Stadtstaat Bremen die Mehrheit. Doch das ist nun vorbei, bei der Landtagswahl in Bremen erreichte die SPD nur Platz 2 hinter der CDU. Gleichzeitig ging die Talfahrt der Sozialdemokraten auch bei der Europawahl weiter. Geht die SPD nun den gleichen Weg wie die französischen Kollegen von der PS, die sich immer gefährlicher dem Status einer „Splittergruppe“ nähern?

Selbst eine erstaunlich hohe Wahlbeteiligung bei der Europawahl (61,4 %) konnte der SPD keinen Rückenwind bescheren. Mit 15,8 % der Stimmen ist die SPD inzwischen weit davon entfernt, in der europäischen Politik das Gewicht darzustellen, dass eine politische Partei mit 150 Jahren stürmischer Geschichte zukommt. Nur – das Ergebnis bei der Europawahl ist nicht überraschend, sondern die logische Konsequenz aller letzten Wahlen, bei denen die SPD (ähnlich wie die CDU) von Klatsche zu Klatsche eilte. Schadenfreude ist sicher nicht angebracht, denn Deutschland bräuchte, ebenso wie Europa, eine funktionierende Sozialdemokratie als Alternativangebot an Neoliberale, Neo-Extremisten und Populisten. Doch diese Rolle kann die SPD offenbar ebenso wenig ausfüllen wie es die PS in Frankreich kann, wo die Partei, die vor zwei Jahren noch den Präsidenten und die Mehrheit in beiden gesetzgebenden Kammern stellte, gerade noch auf 5,9 % kam und für die Wahl als Spitzenkandidaten den Sohn eines bekannten französischen Philosophen aufstellte, der über keinerlei europäische Erfahrungen verfügt.

Wie nach jeder Wahlpleite ist am nächsten Morgen Zerknirschtheit angesagt. „Dieses Ergebnis muss Konsequenzen haben“, hört man, doch selbst diese Aussagen sind mittlerweile zum inhaltsleeren Ritual verkommen. Und es dauerte auch nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Ergebnisses, dass der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel und der aktuelle SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bereits per Medien die Deutungshoheit der Wahlniederlage streitig machten. Gabriel hatte gefordert, dass „alles und alle auf den Prüfstand“ gehören, was Klingbeil nicht so richtig passte.

Dabei weigert sich die SPD, auch Personalfragen zu stellen. Doch an irgendetwas muss es ja liegen, dass die SPD Hand in Hand mit der französischen PS in den Keller rutscht. Irgendwie schafft es die Sozialdemokratie nicht mehr, die Strömungen der Zeit zu erfassen und umzusetzen, sie ist kein „Bollwerk“ mehr gegen Neonationalisten und sie zahlt nun den vollen Preis für die Mitwirkung in der „GroKo“, in der sie zahlreiche Dinge mittragen muss, die eigentlich nichts mit sozialdemokratischen Positionen zu tun haben – Stichwort Flüchtlinge, um nur das Thema zu nennen.

Um wieder ins politische Geschäft zu kommen, braucht die Sozialdemokratie dringend eine Runderneuerung. In der „GroKo“ haben sich fast alle Alleinstellungsmerkmale der SPD bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen, die SPD ist zu dem geworden, was in den 80er Jahren die FDP war – eine Partei, die Mehrheiten mitorganisiert, ohne dabei besonderes Profil zeigen zu können.

Lars Klingbeil hat Recht, wenn er eine programmatische Neuaufstellung der SPD fordert. Doch auch Sigmar Gabriel hat Recht, wenn er die Personalfrage stellt. Die burschikose Andrea Nahles ist alles andere als eine Sympathieträgerin und ganz offenbar ist es ihr auch nicht gelungen, Europa-Begeisterung in den Reihen der SPD-Wählerschaft zu wecken.

Nachdem die SPD nach 73 Jahren auch im Stadtstaat Bremen nicht mehr die Nummer Eins ist, muss die Partei reagieren. Dabei sollte sie nicht den gleichen Fehler wie die französische PS machen, die zwar überall verkündet hatte, sie habe die Botschaft der Wählerinnen und Wähler verstanden, nur um genau dort weiterzumachen, wo sie zuvor aufgehört hatte. So umfasst das Kapitel in der Generalabrechnung von Ex-Präsident François Hollande (407 Seiten) gerade mal etwas mehr als eine halbe Seite. In diesem Kapitel schreibt Hollande, dass man im Grunde gar keine Fehler gemacht habe, allerdings leider die großartigen Dinge, die man geleistet hat, schlecht kommuniziert habe. Diese Art der Fehleranalyse, die eigentlich gar keine war, hat die PS dann auch auf ihre 5,9 % gebracht, die von den französischen Sozialisten sogar noch als „Erfolg“ gefeiert wurde – bis zuletzt hatte man angesichts der Umfragen sogar Zweifel, ob die PS die 5 %-Hürde überspringt.

Wie sich die SPD allerdings gegenüber den Grünen positionieren wollen, die in praktisch allen die Wähler interessierenden Fragen inzwischen besser aufgestellt sind als die SPD, ist fraglich. Wie wäre es denn, würde sich die SPD wieder auf ihre Herkunft besinnen? Godesberger Programm? Mit neuem Spitzenpersonal? Wenn sich die SPD jetzt nicht bewegt, werden wir schon bald die Idee der Sozialdemokratie in Deutschland begraben müssen. Und dann?

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