Ein doppelter Geburtstag

Heute begehen wir den 61. Geburtstag des Elysee-Vertrags und den 5. Geburtstag des Aachener Vertrags, die beide die deutsch-französische Freundschaft gestalten sollen. Aber wo stehen wir heute?

Der Geist dieses Dokuments ist zuletzt mit Füssen getreten worden... Foto: Chris93 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die Feierlichkeiten zum Jahrestag des Elysee-Vertrags und seit fünf Jahren auch diejenigen des Aachener Vertrags, laufen normalerweise nach dem immer gleichen Schema ab. Es gibt Veranstaltungen, Treffen der deutschen und französischen Politiker, schöne Ansprachen, leckere Büffets und manchmal auch einen Orden für die politischen Akteure dieser deutsch-französischen Freundschaft. Nur leider funktioniert das „Deutsch-Französische“ nur noch in den Bereichen, in denen Akteure der Zivilgesellschaft von beiden Ufern des Rheins engagiert sind. Politisch ist der frühere „Motor Europas“, die Achse Paris-Berlin, zum Stillstand gekommen.

Es stimmt, der Elysee-Vertrag setzte den deutsch-französischen Feindseeligkeiten ein Ende, die ihre schlimmsten Zeiten in den Perioden von drei Kriegen zwischen 1870 und 1945 erlebte, mit einer Besetzung von Teilen Frankreichs durch deutsche Soldaten. Aber an diesem Tag denkt man auch an bedeutende Momente, beispielsweise als sich François Mitterand und Helmut Kohl über den Gräbern von Verdun die Hände reichten. Doch diese Epoche ist vorbei, wir leben in einer Zeit, in der es keine großen Politiker mehr gibt, und wir haben heute weder einen General de Gaulle, noch einen Konrad Adenauer. Wir leben im Zeitalter der Technokraten und der Erfüllungsgehilfen des Kapitals, denen die deutsch-französischen Beziehungen ziemlich egal sind.

Man sollte ehrlich sein – es gibt nicht mehr viele Gemeinsamkeiten in der Politik beider Länder. Ob es sich nun um die Energie dreht, die Verteidigung, die Immigration, Soziales und viele andere Punkte – Frankreich und Deutschland verfolgen ihre eigenen Ziele, die zumeist inkompatibel sind. Jeder führt seine nationale Politik und die europäische Idee, und das ausgerechnet in einem Jahr einer Europawahl, hat in der Tagespolitik keinen Platz mehr. Die „Macronie“ schafft es nicht, die Angelegenheiten Frankreichs zu managen, das „System Scholz“ schafft es nicht, die deutschen Angelegenheiten zu managen und beide Länder zeichnen dafür verantwortlich, dass die Stimme Europas im internationalen Konzert kein Gewicht mehr hat.

Doch neben dem „Deutsch-Französischen“, das sich zwischen Paris und Berlin abspielt, gibt es auch schöne Zusammenarbeiten, einen tollen Austausch und wunderbare deutsch-französische Projekte in der Grenzregion. Dort, wo die Menschen ein grenzüberschreitendes Leben leben, ist das „Deutsch-Französische“ sehr lebendig. Man könnte jetzt böse sagen, dass je weiter sich das „Deutsch-Französische“ von der Politik entfernt abspielt, desto besser funktioniert es. Denn in Berlin und Paris ist das „Deutsch-Französische“ zu einer Slogan-Produktion verkommen, doch die ewig gleichen Slogans klingen nach 61 Jahren ziemlich hohl.

Der Neo-Nationalismus schlägt überall zu und es ist fraglich, wie sich das ändern soll. Die berühmte „Achse Paris-Berlin“ wird nicht von oben neu belebt werden können, sondern sie kann nur überleben, wenn die Impulse „von unten“ kommen. Daher müsste man, aber das wird sicherlich ein frommer Wunsch bleiben, die Grenzregionen mit ganz anderen Budgets ausstatten, die Zivilgesellschaft müsste stärker eingebunden werden (wo man seit Jahren vorschlägt, als ersten Schritt Beobachter-Sitze in den Instanzen der Eurodistrikte einzuführen), und man müsste denjenigen mehr Vertrauen entgegen bringen, die tagtäglich grenzüberschreitend arbeiten.

Aber es gibt auch Bereiche, in denen das „Deutsch-Französische“ sehr gut funktioniert. Die Integration des Arbeitsmarkts zwischen Elsass und Baden ist ein gutes Beispiel, zahlreiche Kulturprojekte laufen prima, der grenzüberschreitende Austausch bereichert die Grenzregion wie in PAMINA, wo es die einzige deutsch-französische Volkshochschule gibt. Doch all diese konkreten Projekte leiden an einer Unterfinanzierung und angesichts der zahlreichen aktuellen Krisen und der leeren Kassen steht zu befürchten, dass diese konkreten Projekte immer mehr Schwierigkeiten erleben werden.

Am heutigen Tag wäre es sinnvoll, sich nicht auf hohle und eitle Reden zu beschränken, sondern die Verantwortlichen sollten gemeinsam überlegen, wie man dem „Deutsch-Französischen“ eine neue Dynamik verleihen kann, denn immerhin geht es hier um die Messlatte für die ganze Europäische Union.

Der 22. Januar ist kein Jubeldatum, sondern ein Tag, an dem wir nachdenken und die Antwort auf eine Frage finden sollten: „Wie kann der deutsch-französische Motor wieder angeworfen werden?“ Dies wäre deutlich sinnvoller als an diesem Tag mechanisch zu wiederholen, wie toll diese deutsch-französische Freundschaft und Zusammenarbeit doch funktioniert, denn das ist schon lange nicht mehr der Fall. Dieses Mal sollte sich die Politik ein Beispiel an der Zivilgesellschaft nehmen, denn diese hat eine klare Vorstellung, wie man das „Deutsch-Französische“ zum Laufen bringt. Ansonsten werden wir wohl leider darauf warten müssen, dass ein neuer De Gaulle und ein neuer Adenauer auftauchen – die aktuellen Regierungen in Paris und Berlin sind nicht Willens und in der Lage, den Geist dieser beiden Verträge mit Leben zu füllen, um die es heute geht – den Elysee-Vertrag und den Aachener Vertrag.

2 Kommentare zu Ein doppelter Geburtstag

  1. Claus Börschig // 22. Januar 2024 um 21:50 // Antworten

    Nun ja, ob Ausdrücke wie “Erfüllungsgehilfen des Kapitals” das Problem auch nur annähernd beschreiben, erschließt sich nicht. Aber dennoch frage ich mich, wie sich das in einigen Jahren darstellen wird. Vielleicht kommen noch Zeiten, in denen wir am Hier und Heute froh wären?

    • Haben wir nicht vor nicht allzu langer Zeit Banken mit über einer Billion Euro retten müssen, weil die sich verspekuliert hatten? Too big to fail? Wenn das nicht rechtfertigt, den Begriff “Erfüllungsgehilfen des Kapitals” zu verwenden, dann weiss ich auch nicht weiter. Dass alles noch schlimmer kommen wird als heute, steht als Zeichen an der Wand. Das aber kann kein Argument dafür sein, ein durch und durch korruptes System aufrecht zu erhalten.

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