König ohne Volk

Emmanuel Macron war gewarnt – die Bauern wollten ihn nicht bei der Eröffnung der Landwirtschaftsmesse sehen. Seine Machtdemonstration wurde ein Desaster.

Die Macronie ist am Ende. Nur Emmanuel Macron und seine Hofschranzen scheinen das nicht zu merken. Foto: ScS EJ

(KL) – Mit fast fünf Stunden Verspätung eröffnete Emmanuel Macron gestern unter maximalem Polizischutz die Pariser Landwirtschaftsmesse „Salon de l’Agriculture“, eine Veranstaltung, die mit der „Grünen Woche“ in Berlin vergleichbar ist. Allerdings hatten die Bauern angekündigt, dass sie bei dieser Messe keine Politiker sehen wollten, da die Versprechungen, mit denen die Regierung vor drei Wochen die massiven Bauernproteste befriedet hatten, nicht umgesetzt worden waren. Aber Emmanuel Macron wollte den Bauern und den Franzosen zeigen, wer der Herr im französischen Haus ist, doch das ging gründlich schief. Stundenlange Proteste und Rangeleien zwischen Polizisten und aufgebrachten Bauern verzögerten die Eröffnung um viele Stunden und erst, als die Kühe aus der Normandie aus der Halle geführt und viele „Bullen“ hereingebracht wurden, um Emmanuel Macron vor seinem Volk zu schützen, konnte dieser die Messe eröffnen, während die Rufe „Macron – Rücktritt“ nicht zu überhören waren.

Während die Messe aufgrund des Aufruhrs nicht eröffnet werden konnte, stellte sich Macron einem improvisierten Gespräch mit Vertretern der Bauernschaft, für das er sich schnell ein paar neue Versprechungen aus den Fingern gesogen hatte, die nicht dazu beitragen konnten, die Lage zu entspannen. Im Einzelnen kündigte Macron an, in drei Wochen eine Art „Bauern-Gipfel“ mit den Vertretern der verschiedenen Bauern-Organisationen durchführen zu wollen (warum das noch nicht längst passiert ist, wissen auch nur Emmanuel Macron und sein Kronprinz Gabriel Attal), dazu will Macron die Landwirtschaft als „große nationale Sache“ in ein Gesetz schreiben (was den Bauern auch nichts Konkretes bringt) und dann will er sich in Brüssel dafür einsetzen, dass eine Regel geschaffen wird, dass die großen Einkaufszentralen den Bauern mindestens den realen Produktionspreis für ihre Produkte zahlen müssen (also wieder eine Versprechung, die Brüssel und nicht Paris einhalten muss und die den Bauern auch nicht das Einkommen beschert, von dem sie leben können). Überzeugen konnte das niemanden.

Diese Suppe haben sich Macron und seine Regierung selbst eingebrockt, als sie vor drei Wochen zur Beruhigung der Bauernproteste versprochen hatten, dass es „bis zur Eröffnung der Landwirtschaftsmesse“ konkrete Verbesserungen geben würde. Doch die gibt es nicht und die Wut der Bauernschaft wird immer greifbarer.

Auch der traditionelle Rundgang des Präsidenten durch eine der Hallen war nur möglich, da er in dieser Halle nur von Polizisten, Ohrenbläsern und seinen Hofschranzen begleitet war – ein Zusammentreffen Macrons mit seinem Volk musste verhindert werden, da niemand wusste, wie die aufgebrachten Bauern und Demonstranten bei einem direkten Zusammentreffen mit Macron reagiert hätten.

Erstaunlich, dass Macron immer noch nicht zu merken scheint, dass die Zeit der „Macronie“ abgelaufen ist, dass die Franzosen das eitle Gerede dieses Präsidenten nicht mehr glauben und da nützt es wenig, dass Macron dafür warb, ihm doch bitteschön zu vertrauen. Denn genau das tun die Franzosen in ihrer großen Mehrheit nicht mehr. Wie groß dieser Vertrauensverlust ist, wird Macron vermutlich erst am 9. Juni verstehen, wenn seine Kandidaten für die Europawahl von der politischen Konkurrenz weggekegelt werden.

Es wird immer deutlicher, dass die „Macronie“ nicht bis zum nächsten Wahltermin 2027 im Amt bleiben kann. Eine große Mehrheit der Franzosen will, dass Macron mit seiner Truppe zurücktritt und den Weg zu Neuwahlen freimacht, was durchaus nach den Olympischen Spielen in Paris der Fall sein könnte, doch nicht vorher, denn mit diesen Olympischen Spielen will sich Macron ein Denkmal setzen, „coûte que coûte“, koste es, was es wolle.

Dass sich Emmanuel Macron nicht als ersten Angestellten des französischen Volks begreift, wie es in einer Demokratie der Fall sein sollte, ist nicht neu. Dass er ein offensichtliches Vergnügen dabei empfindet, seine Landleute zur Weißglut zu treiben, ist allerdings bedenklich. Während seines Rundgangs durch die Halle, die von Spezialeinheiten mühsam vor den aufgebrachten Bauern geschützt wurde, fanden vor der Halle Schlägereien zwischen der aufgebrachten Menge und den Ordnungskräften statt, die Macron leicht hätte beenden können, wenn er den Veranstaltungsort verlassen hätte. Doch Macron dachte gar nicht daran, er empfand sichtbar Freude an dem Aufruhr, den er selbst ausgelöst hatte.

Doch seine Machtdemonstrationen gegenüber dem französischen Volk erinnern ein wenig an die Arroganz eines Louis XVI, der ebenfalls nicht merkte, zu welchem Zeitpunkt er den Bogen überspannt hatte und der Zorn der Bevölkerung nicht mehr eingedämmt werden konnte. Louis XVI endete unter der Guillotine und man darf gespannt sein, wie die politische Karriere des Emmanuel Macron enden wird. Wenn er weiterhin derart arrogant mit dem französischen Volk umgeht, könnte es sein, dass die Machtübergabe an seinen Nachfolger auch nicht sonderlich friedlich vonstatten gehen wird.

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