Ein trauriger, verängstigter Mann…

Der rechtsextreme Kandidat Eric Zemmour hat sein erstes, großes Meeting abgehalten. Rund 10.000 ebenso verstörte Franzosen klatschten ihm begeistert Beifall.

... das ist die "politische" Nachricht Zemmours an die Franzosen... Foto: Andreas Bohnenstengel / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Eric Zemmour, von kleiner Statur und provozierender Populist, mit durchaus viel Verstand, ist in seiner Schulzeit sicher öfters auf dem Schulhof verhauen worden. Seine besserwisserische Art hat bestimmt nicht jedem Klassen-Bully gefallen und da gab es, so war das eben früher, schon mal was auf die Ohren. Und heute hat Eric Zemmour immer noch Angst. Viel Angst. Vor vielen Dingen, aber vor allem, dass die Franzosen ihr Land an dunkle Mächte verlieren könnten und dann alle auswandern müssen oder Schlimmeres. Doch den Umfragen zufolge ist der rasante Aufstieg des Eric Zemmour bereits wieder auf dem absteigenden Ast.

Das war starker Tobak, was Eric Zemmour gestern in Villepinte vom Stapel liess, ein politisches Programm, das so etwas wie eine Abrechnung mit all denjenigen ist, die ihm je ein paar Backpfeifen verpasst haben. Ausländer. Am besten alle ‘raus. Bis auf diejenigen, die ganz, ganz schnell so werden wie wir. Also praktisch keiner. Kolonialist ist er auch. Neu-Kaledonien, 16.732 Kilometer von Paris auf der anderen Seite der Welt gelegen, muss französisch bleiben. Seine Einpeitscher treten choreographierte „Vive la France“-Sprechchöre und andere Begeisterungsstürme los. Es klingt ein wenig nach Alexander Gauland und seinem gekeuchten „Wir holen uns unser Land zurück!“. Zemmours Charisma ähnelt allerdings ebenfalls demjenigen von Gauland und deswegen bleibt die Begeisterung in Villepinte auch ein wenig einstudiert.

Das ist die einzig gute Nachricht dieser ersten großen Wahlveranstaltung – Eric Zemmour ist kein Volkstribun. Ihm würde wohl keine Mutter ihr Baby zum Herzen in den Arm legen, aus Angst, er könne es fallenlassen. Dazu ist er auch kein Winston-Churchill-„Blood, Sweat and Tears“-Typ, der in Krisenzeiten seine Landsleute durch entbehrungsreiche Zeiten führt, er ist eher der Typ Tullius Destructivus aus dem Asterix-Band „Streit um Asterix“.

Er zeichnet ein Bild Frankreichs, das schwärzer nicht sein kann. Er hat tatsächlich Angst vor dem großen „Remplacement“, dem Austausch der französischen Bevölkerung. Unter diesem Begriff versteht man in rechtsextremen französischen Kreisen „Wo heute Jacques arbeitet, arbeitet morgen Mohammend. Und wo heute Pierre wohnt, zieht morgen Kemal ein.“

Natürlich hat er Recht, wenn er das politische Establishment der letzten 40 Jahre für den Niedergang der V. Republik verantwortlich macht. Dass er aus Frankreich wieder den Champion der Weltindustrie machen will, das hätte auch Emmanuel Macron sagen können. Dass er die Steuern für Unternehmen senken will, eigentlich auch. Und dann ruft er unverhohlen diejenigen Konservativen, die in der Vorwahl für seinen später gescheiterten Kandidaten Eric Ciotti bei den konservativen “Les Républicains” gestimmt hatten, doch in sein Lager zu wechseln. Schlechter Stil.

Überhaupt, Stil. Als Angriff auf die kollektive Tränendrüse erzählt Zemmour, dass ihm seine Mama die französischen Werte eingebläut hat. Und die großen französischen Autoren, auf die bitteschön kein hergelaufener Ausländer Anspruch erheben soll. Als ob den lieben, langen Tag Einwanderer aus dem Kamerum, Venezuela oder Deutschland über die Boulevards laufen und rufen, dass Charles Baudelaire ihr Landsmann gewesen sei. Und auch die französische Lebensart, die französische Eleganz. Ob er damit den ausgestreckten Mittelfinger meinte, mit dem er vor einigen Tagen eine Demonstrantin verabschiedete, die ihm ebenfalls auf diese Weise einen Gruß hatte zukommen lassen?

Wie er dafür sorgen will, dass Frankreich seine „Reconquête“ bewerkstelligt, seine „Wiedereroberung“, wie auch seine Partei heissen soll, das verrät Zemmour nicht. Zustände anprangern ist populistisch, dafür zu arbeiten, dass sich Zustände ändern, ist Politik. Aber das ist vielleicht doch nicht so sein Ding. Da steht er nun, vor 10.000 Zuschauern, und strahlt über beide Backen. Er hat es allen gezeigt. Allen, die ihn auf dem Schulhof verhauen und im Schwimmbad getunkt haben. Allen, die ihn nicht ernstgenommen haben. Allen, die ihn verklagt haben, insbesondere wegen „Volksverhetzung“. Aber er ist nicht am Ziel. Und vor allem, er hat immer noch viel Angst. Noch mehr als damals auf dem Schulhof.

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