Ein wichtiger Tag für die westliche Demokratie

Heute wird im Berufungsverfahren über eine mögliche Auslieferung von Julian Assange in die USA verhandelt. Es ist unglaublich, dass der Gründer von WikiLeaks immer noch inhaftiert ist.

Julian Assange MUSS freigelassen werden! Foto: Ricardo Patiño / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Julian Assange geht es immer schlechter. Nach fast 10 Jahren des Eingesperrtseins unter unglaublichen Bedingungen, erst 8 Jahre in der Botschaft Ecuadors in London und seit 2 Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh bei London, wird heute erneut im Berufungsverfahren über eine Auslieferung Assanges an die USA entschieden. Doch nach wie vor traut sich die EU nicht, in diesem skandalösen Fall Partei für einen der bekanntesten Whistleblower der Welt zu ergreifen. Stattdessen schaut man tatenlos zu, wie Großbritannien Julian Assange weiterhin als „Verhandlungsmasse“ für die britischen Beziehungen zu den USA mißbraucht.

Die Geschichte rund um Julian Assange ist ein Musterbeispiel dafür, in welchem Zustand heute die westliche Demokratie ist. Das von Julian Assange gegründete Portal WikiLeaks hatte Hunderttausende Dokumente veröffentlicht, die amerikanische Kriegsverbrechen im Irak und in anderen Ländern dokumentierten. Die Inhalte dieser Dokumente, die Assange von Whistleblowern innerhalb der US Army zugespielt wurden, konnten zu keinem Zeitpunkt von den USA entkräftet werden, denn die Dokumente waren Originale. Doch statt Assange dafür zu danken, dass er diese Kriegsverbrechen aufgedeckt und veröffentlicht hatte, setzten die USA alles daran, den Assange in die Hände zu bekommen, um ihn, wie es das amerikanische Gesetz erlaubt, zu 175 Jahren Gefängnis zu verurteilen.

Kein Mittel war den Amerikanern schäbig genug, um Assange zu diskreditieren. In Schweden wurde eine fadenscheinige Anklage wegen einer angeblichen Vergewaltigung gegen ihn inszeniert (die nach 8 Jahren der Ermittlungen still und leise fallengelassen wurde), laut verschiedenen Quellen wurden Pläne zu seiner Ermordung in der Botschaft Ecuadors geschmiedet, und nach einem Regierungswechsel in Ecuador wurde die neue Regierung derart unter Druck gesetzt, dass sie das politische Asyl für Assange beendete – woraufhin die britische Polizei Assange mit Gewalt aus der Botschaft holte und ihn in das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh brachte. Der Grund für diese Inhaftierung in einem ansonsten Terroristen und Schwerstverbrechern vorbehaltenen Gefängnis war ein „Verstoß gegen die Visa-Bestimmungen“, da die Briten geltend machten, dass Assange in den acht Jahren des Asyls in der Botschaft gegen Visauflagen verstoßen habe.

Der wahre Grund dafür, dass die Briten Assange nicht einfach ausreisen ließen, war, daß man es sich nicht mit den Amerikanern verscherzen wollte, speziell nicht im Zusammenhang mit dem Brexit, wo Assange plötzlich einen ganz anderen Stellenwert bekam. Die Briten sind nach ihrem Brexit darauf angewiesen, neue Freihandelsabkommen zu schließen, besonders mit dem „großen Bruder“ USA und da kam Assange als „Morgengabe“ gerade Recht.

Dabei schreckten die Briten nicht einmal vor Folter zurück. - Laut einem Bericht des UN-Sonderbeauftragten für Folter, Nils Meltzer, erleidet Assange in britischer Haft psychische und physische Folter und sein Zustand ist inzwischen so beunruhigend, daß eine Gruppe von über 70 Ärzten von der britischen Innenministerin die sofortige Freilassung Assanges forderte. Auf dieses Schreiben, das öffentlich war, erhielten die Autoren nicht einmal eine Antwort.

Im Auslieferungsverfahren wurde diese zähneknirschend abgelehnt, da die konkrete Gefahr besteht, dass Assange eine solche Auslieferung nicht überleben würde. Die Beteuerungen der Amerikaner, Assange „gut behandeln“ zu wollen, sind angesichts der Mordpläne, die seitens der USA gegen ihn geschmiedet wurden, absolut unglaubwürdig. Die USA wollen an Assange ein Exempel statuieren, damit sich künftig niemand mehr traut, sein Wissen über amerikanische Kriegsverbrechen zu veröffentlichen. Doch da die USA Berufung gegen die Ablehnung der Auslieferung einlegten, blieb Assange in Haft. Bis heute.

Und die EU? Was macht die EU, deren Regierungen fleißig Gesetze zum Schutz von Whistleblowern verabschieden? Die EU tut – nichts. Weder gab es europäische Aufrufe an die britische Regierung, Assange endlich freizulassen, noch wurde Assange politisches Asyl in der EU angeboten, noch setzte die EU die Briten in den Brexit-Verhandlungen unter Druck, um dieser Farce ein Ende zu bereiten. Die EU beschränkt sich im Fall Assange auf Schweigen. Und dieses Schweigen zeigt deutlich, dass die verschiedenen neuen Gesetze zum Schutz von Whistleblowern nichts anderes als „politische Kommunikation“ sind – dort, wo es darum geht, den vielleicht wichtigsten Whistleblower überhaupt zu schützen, schaut die EU einfach weg.

Eine Auslieferung Assanges an die USA wäre gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Ein Todesurteil für einen Journalisten, der nichts anderes als seinen Job gemacht hat. Das Ganze in einem europäischen Land, das foltert und selbst gegen Menschenrechte verstößt, vor den Augen einer EU, die sich selbst als „Hort der Menschenrechte“ feiert, mit einem kalten Zynismus, der einen an der EU und den sogenannten „westlichen Werten“ zweifeln läßt.

Julian Assange muss heute freigelassen werden. Sollten die Briten Assange allerdings an die USA ausliefern, muss die EU Großbritannien mit Sanktionen belegen, ebenso wie die USA. Sanktionen sollte es nicht nur für Diktatoren wie Erdogan oder Putin oder Lukaschenko geben, sondern auch gegen westliche Staatenlenker, die keinen Deut besser sind.

Heute ist ein wichtiger Tag. Natürlich für Julian Assange, aber auch für die westliche Demokratie als Konzept. Eine Auslieferung Assanges an die USA wäre ein Verrat an der westlichen Demokratie und würde den Westen auf die gleiche Stufe stellen wie Länder, die wir tagtäglich kritisieren. Eine Auslieferung Assanges müsste zu einem sofortigen Boykott Großbritanniens führen, dem Einfrieren der Wirtschaftsbeziehungen und der Sperrung der Grenzen. Es kann nicht sein, dass die EU ein ehemaliges Mitglied, das sich als Folterstaat erweist, weiterhin so behandelt, als sei nichts geschehen. Großbritannien hat heute die Chance, in die europäische Familie zurückzukehren. Sollte London diese Chance nicht ergreifen, muss das Land künftig als „Nordkorea Europas“ behandelt werden. ##freeassangenow

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