Deutsche Denkmäler wackeln bedrohlich

Autoskandal, Korruption, Gewalt auf der Straße und eine Kanzlerin, die auf den UNO-Generalsekretärsposten weggelobt werden soll: Deutsche Denkmäler wackeln.

Jetzt steht auch "der Kaiser" im Mittelpunkt eines Verfahrens der FIFA-Ethikkommission? Ja, ist denn heute nichts mehr heilig?! Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Da stehen wir nun und haben immer mehr Schwierigkeiten, unser eigenes Land zu verstehen. Vieles von dem, was wir einmal für unverrückbar und “typisch deutsche Werte” gehalten haben, löst sich gerade in Nichts auf. Das will erst einmal verarbeitet sein. Doch anders, als einst Theo Sarrazin schrieb, “schafft sich Deutschland nicht selbst ab”, sondern steht vor der interessanten Aufgabe, sich neu erfinden zu müssen.

Ausgerechnet in den Bereichen, die uns Deutschen am wichtigsten sind, bricht gerade unser Weltbild zusammen. Ein deutscher Automobilbauer hat die ganze Welt mit manipulierten Abgastests betrogen – ein deutscher Automobilbauer! Der größte der Welt! Auf den wir so stolz waren! Die deutsche Industrie als Betrüger, erwischt mit der Hand in der Keksdose… ist das wirklich noch unsere deutsche Automobilindustrie, die beste der Welt, die sich offenbar schnöder Manipulationen bedienen muss, um ihre Autos zu verkaufen?

Im Zusammenhang mit dem VW-Skandal erinnert man sich auch an den Siemens-Skandal, der nicht lange zurück liegt. Weltweit wurde geschmiert, um an lukrative Aufträge heran zu kommen – wir dachten doch immer, dass unsere deutschen Ingenieure so gut sind, dass sie es nicht nötig hätten, zu Bananenrepublik-Methoden zu greifen, um ihre Projekte zu verkaufen!

Dann der Fußball. Gegen den das Ingenieurswesen und die Autobauerkunst in der Wichtigkeit für uns ein Klacks sind. Weltmeister ‘54, 74, 90 und 2014 – Ausrichter eines “Sommermärchens”, bei dem “die Welt zu Gast” war und das ganze Land in einem schwarz-rot-goldenen Taumel versank, da es endlich nicht mehr peinlich war, diese Farben zu tragen… gekauft, geschmiert, vergewaltigt. Selbst die “Lichtgestalt” Frank Beckenbauer steht plötzlich im Mittelpunkt ein es Verfahrens der FIFA-Ethikkommission denn, stimmt ja, er saß damals im allmächtigen Exekutiv-Komitee, das über die Vergaben der WMs in Russland 2018 und Katar 2022 zu entscheiden hatte.

“Der Kaiser” am Ende auch? Franz Beckenbauer, eine moralische und sportliche Instanz in unserem Land? Und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, dessen Erklärungsversuche für das Verschieben von 6,7 Millionen Euro zwischen “schwarzen Kassen” in etwa so glaubwürdig klingen wie das “es ist nicht das, wonach es aussieht”, das der überraschte Ehemann stammelt, wenn seine Frau zu früh nach Hause kommt und ihn nackt mit der Haushälterin im Bett vorfindet? Der deutsche Fußball, unser aller liebstes Kind – versinkt im Korruptionssumpf.

Dazu, und das ist nicht minder erstaunlich, bröckelt die Liebe zwischen “Mutti” und den Deutschen ab – wo uns Deutschen politische Kontinuität offenbar so wichtig ist, dass wir vier Legislaturperioden lang Helmut Kohl und drei Mal Angela Merkel gewählt haben. Doch angesichts der Flüchtlingsfrage folgen wir dann doch lieber den Schwarzmalern und den Brunnenvergiftern, statt “Muttis” inzwischen fast trotzig klingenden Aufruf zu mehr Nächstenliebe und Menschlichkeit zu befolgen. Und jetzt wird diskutiert, ob Anfang 2016 “Mutti” nicht schnell auf den Posten des UN-Generalsekretärs weggelobt werden kann – damit Wolfgang Schäuble als “Übergangskanzler” endlich Kalif anstelle des Kalifen wird.

Auto, Ingenieurskunst, Fußball und politische Kontinuität – all diese Dinge, zentrale Pfeiler unseres deutschen Daseins seit dem II. Weltkrieg, gehen gerade den Bach herunter und wir müssen uns langsam die Frage stellen, ob wir am Ende nicht doch einfach ein Land wie jedes andere sind. Eben einfach ein europäisches Land, mit seinen Stärken und Schwächen, aber eben kein Land, das als Modell für andere dienen und diesen Lektionen erteilen muss.

Vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass das Innenministerium gerade berichtet hat, dass es in Deutschland dieses Jahr bereits fast 600 gewalttätige Übergriffe auf Flüchtlingsstrukturen und Flüchtlinge gegeben hat – auch das ist ein Zeichen, dass sich in Deutschland gerade wieder einmal die tektonischen Platten bewegen.

Es ist Zeit, sich über die Rolle Deutschlands in Europa und der Welt bewusster zu werden, ein wenig bescheidener daher zu kommen, weniger mit dem Finger auf andere zu zeigen und schleunigst mit dem Umbau unserer Gesellschaft zu beginnen. Solange das überhaupt noch geht.

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