Einem nackten Mann, äh Land, kann man nicht in die Tasche greifen

Griechenland konnte die gestern Nacht fällige Rate von 1,5 Milliarden Euro nicht an den IWF zurückzahlen. Wie denn auch? Und wie soll es jetzt weitergehen?

Alexis Tripras wollte einen Neuanfang MIT den europäischen Partnern. Doch die wollen einen Neuanfang ohne Griechenland. Foto: Robert Crc / Subversive Festival Media / Wikimedia Commons / FAL

(KL) – Die Eskalation der Krise in Griechenland geht weiter und jetzt ist die Situation eingetreten, vor der sich alle Beteiligten gefürchtet haben und die dennoch niemand verhindert hat. Griechenland ist faktisch pleite und niemand weiß so richtig, wie es weitergehen soll. Die Diskussionen um die Griechenlandkrise werden immer hektischer und technischer, doch wird das Wichtigste übersehen – wie es den Menschen in Griechenland geht. Doch darum haben sich „die Märkte“ noch nie sonderlich gekümmert.

In Griechenland stehen verzweifelte Rentner vor Geldautomaten, die nichts mehr ausspucken und es herrscht eine große Unsicherheit, wie es weitergehen soll. Die technischen Diskussionen um Grexit, Euro, Drachme und Maßnahmenpakete sagen den Menschen noch lange nicht, wie es weitergehen kann. Denn in den letzten fünf Jahren hat die EU versucht, Griechenland „gesund zu ruinieren“. Die wenigen Bereiche, in denen die Wirtschaft des Landes noch Aussichten bot, dass sich die Dinge verbessern könnten, dienen längst nicht mehr als Hoffnungsträger und nun bricht auch noch der Tourismus zusammen. Da spielt es eigentlich kaum noch eine Rolle, ob die Menschen mit Euro oder Drachmen bezahlen müssen, wenn man weder das eine, noch das andere verdienen kann.

In der gesamten Diskussion stimmt seit fünf Jahren die Perspektive nicht. Denn die einzige Frage, die wirklich wichtig ist, lautet: Wie kann Griechenland wirtschaftlich wieder so flott gemacht werden, dass die Menschen Arbeit haben, die Sozialsysteme mit Beiträgen füttern können und das Leben wieder funktioniert? Doch die Troika und die anderen haben seit fünf Jahren nur dafür gearbeitet, dass die Banken ihre Kredite zurückerhalten und die „Märkte“ Geld verdienen, ohne dabei zu verstehen, dass Griechenland erst in die Lage hätte versetzt werden müssen, überhaupt Geld verdienen zu können, bevor man sich um die Abtragung von Krediten kümmert.

Und bis zum heutigen Tag ist diese falsche Perspektive die offizielle Marschroute der „Geldgeber“ (die am Ende des Tages eigentlich eher „Geldnehmer“ sind). Was ist denn, bitteschön, in den letzten fünf Jahren an rund laufender Struktur in Griechenland mit diesen 326 Milliarden Euro aufgebaut worden? Nichts, was heute in der Lage wäre Wirtschaftskraft zu generieren und folglich nichts, was den Griechen ermöglichen könnte, irgendwann auch die Schulden zu bezahlen. Mit vielen technischen Handgriffen wurde Griechenland Geld zugeschustert, das nicht in den Aufbau neuer Wirtschaftskraft geflossen ist, sondern in die Taschen „der Märkte“, die an der Krise prächtig verdient haben.

Das Drama in Griechenland wird in den nächsten Tagen konkretere Züge annehmen. Bis auf die Tatsache, dass der IWF beim Blick auf sein Konto gestern feststellen musste, dass keine Zahlung aus Griechenland eingegangen ist, ist ja noch nicht viel passiert. Doch das wird sich jetzt schnell ändern.

Dass im Zusammenhang mit dieser Entwicklung Griechenland als touristische Destination einen schweren Schaden erlitten hat, ist eines der Elemente, die einen Neuanfang extrem erschweren. Vor allem in einer Situation, in der das institutionelle Europa den Griechen die Solidarität gekündigt hat.

Die „Stunde Null“ in Griechenland ist der Moment, in dem das System der neuen Kredite zum Bedienen alter Kredite zusammengebrochen ist. Im Grunde ist das aber auch gut so, denn das System war in sich bereits ein Fehler. Nun müssen alle gemeinsam darüber nachdenken, wie man in Griechenland Strukturen schafft, die den Weg zurück in ein funktionierendes Staatswesen ebenen. Dass dabei „die Märkte“ mit finanziellen Verlusten rechnen müssen, ist nebensächlich. Jetzt geht es nur darum, dass gemeinsam mit den Menschen in Griechenland eine neue Perspektive erarbeitet wird, mit der die Grundbedürfnisse der Menschen in Würde befriedigt werden. Doch so, wie die letzten Wochen verlaufen sind, muss man wohl damit rechnen, dass diejenigen, die in dieser Situation das Sagen haben, wieder jeden Fehler machen werden, den sie machen können. Auf Kosten der Menschen in Griechenland, deren materielles und psychologisches Leiden das große Europa nicht zur Kenntnis nehmen will.

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