Erfolgskonzept Ausbildung?

Podiumsdiskussion der Wirtschaftsjunioren Freiburg gibt Anstöße.

Diskussionsrunde zum Thema Ausbildung (v.l.): Dr. Steffen Auer, Präsident der IHK Südlicher Oberrhein; Birgit Bachimont, Personalreferentin des Europa-Parks; Jens Hupperich, Leiter Personal der Volksbank Freiburg; Claudia Feierling, Rektorin des Walter-Eucken-Gymnasiums; Auszubildende Carolin Asimus; Dr. Nina Pauls, Institut für Psychologie und Wirtschaftspsychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, und Moderator Michael Johner. Foto: Wirtschaftsjunioren Freiburg.

(NB) – Noch rund 150 offene Stellen sind in der Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein für das im September startende Ausbildungsjahr gemeldet. Da für den Eintrag keine Pflicht besteht, dürften es tatsächlich deutlich mehr sein. Doch warum haben viele Unternehmen inzwischen Probleme damit, die angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen? In der zweiten Veranstaltung der Podiumsreihe „Auf ein Wort“ der Wirtschaftsjunioren Freiburg ging es um dieses Thema.

Auf dem Podium diskutierten am Donnerstag, 30. Juli, im Gebäude der Volksbank Freiburg, zur Frage „Erfolgskonzept Ausbildung?“ verschiedene Experten und Betroffene. „Eigentlich bin ich in doppelter Funktion hier“, sagte Dr. Steffen Auer, „einerseits als Präsident der IHK Südlicher Oberrhein und andererseits als Firmeninhaber und damit auch Ausbilder.“ In seinem Betrieb, dem Schwarzwald-Eisenhandel in Lahr, arbeiten rund 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Die meisten haben auch ihre Ausbildung bei uns absolviert.“ Die Not gerade der kleineren Betriebe, heute Azubis zu finden, kennt er als IHK-Präsident. „Deshalb gehen wir von der IHK besonders  auf sie zu und versuchen ihnen zu verdeutlichen, dass sie im Hinblick auf ihren Nachwuchs langfristig planen müssen.“

Als Personalreferentin des meist besuchten Freizeitparks im deutschsprachigen Raum muss sich Birgit Bachimont keine Sorgen um die nächste Generation der Fachkräfte im Europa-Park machen. Doch funktioniere das nicht von allein: „Das ist harte Arbeit. Und natürlich ist es schwieriger, einen Azubi im Bereich Sanitär zu finden als einen Interessenten für das Duale Studium Marketing.“ Der Europa-Park nutze inzwischen die Plattform der Ausbildungsmessen im In- und Ausland, um Azubis zu akquirieren.

Diesen Weg geht auch die Volksbank Freiburg; zusätzlich sucht sie über die sozialen Netzwerke, berichtete ihr Leiter Personal, Jens Hupperich. Denn auch die Volksbank würde inzwischen einen Wandel spüren. Hupperich: „Noch vor drei oder vier Jahren hatten wir 300 Bewerbungen auf die zehn bis 14 Ausbildungsstellen bei uns im Haus. Heute sind es nur noch 200.“ Hilfreich sei auch die Bildungspartnerschaft mit dem Walter-Eucken-Gymnasium in Freiburg: jeder dritte bis vierte Auszubildende der Volksbank sei Absolvent der Schule, die aus einem Gymnasium und einer Kaufmännischen Schule besteht.

Die Rektorin des Walter-Eucken-Gymnasiums, Claudia Feierling, war an diesem Abend ebenfalls auf dem Podium. „In der Oberstufe wollen die Jungen und Mädchen alle studieren“, erzählte sie. „Nach den Sommerferien bin ich jedoch jedes Mal aufs Neue erstaunt, wie viele bekannte Gesichter ich dann an den Kaufmännischen Schulen wiedersehe.“ Ähnlich hat es Carolin Asimus erlebt. Sie hatte zunächst Lehramt studiert, bevor sie das Studium abbrach und sich für eine Ausbildung bei der Volksbank Freiburg entschied.

„Im Studium hat mir einfach der rote Faden gefehlt“, begründete sie vor den rund 50 Zuhörerinnen und Zuhörern ihre Entscheidung. Die Wahl der Banklehre habe ihr Umfeld überrascht aufgenommen. „Du hast doch Abitur!“, habe sie immer wieder zu hören bekommen. „Aber ich wollte eben Fachwissen plus Erfahrungen und dazu noch den Kontakt mit Kunden“, erklärte die junge Auszubildende, warum sie sich nicht für ein BWL-Studium, sondern für eine Lehre entschieden habe. Asimus: „Aber viele meiner Altersgenossen sehen das anders.“

Diese Aussage bestätigte der Einspieler, den der Moderator der Podiumsdiskussion, Michael Johner, zeigte. Im Film, der Schüler nach ihren Zukunftsplänen fragte, waren Antworten wie „Nach dem Abitur ist es üblich, studieren zu gehen“, „Ich höre immer wieder, dass die Studienzeit die schönste Zeit ist“, „Im Studium bleibt mehr Freiraum“ oder „Mit einer Ausbildung würde ich mich sofort festlegen“ zu hören. Dass die Schülerinnen und Schüler hier falsche Vorstellungen haben, sagte Dr. Nina Pauls vom Institut für Psychologie und Wirtschaftspsychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. „Wenn ein Student auch keine 40-Stunden-Woche hat: In unserem Bereich ist der Notendruck von Anfang an da, der Studienplan ist sehr unflexibel und ein Praktikum, das über die Semesterferien hinausgeht, kann die Studierenden um ein ganzes Jahr zurückwerfen.“

Bezogen auf den Film sagte IHK-Präsident Auer, er wundere sich bei jedem Besuch eines Gymnasiums über die Berufswünsche der Jugendlichen. „Alle wollen Kulturwissenschaften studieren. Doch wie wenige Stellen es in diesem Bereich gibt, darüber machen sie sich keine Gedanken.“ Ebenso wenig würden sie sich mit den angestrebten Berufen befassen. „Hinzu kommt, das haben wir in einer IHK-Studie herausgefunden, dass 80 Prozent der jungen Menschen ihr Können falsch einschätzen.“

Sowohl Auer als auch Hupperich von der Volksbank und Bachimont vom Europa-Park waren sich einig, dass es für spätere Aufstiegschancen in ihren Betrieben keine Rolle spielt, ob der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterinnen zum Beginn der Karriere studiert oder eine Ausbildung gemacht hat. „Der Mensch muss stimmen. Und sie müssen für ihren Job brennen“, nannte Birgit Bachimont Kriterien für eine berufliche Entwicklung. Steffen Auer ergänzte: „Je älter ein Bewerber wird, desto weniger interessieren mich Zeugnisse und Noten.“ Ähnlich ist es bei der Volksbank Freiburg, informierte Jens Hupperich: „Ob Master, Bachelor oder Azubi: Bei uns kann jeder die sogenannte Management-2-Ebene erreichen.“

Aus ihrer Erfahrung hat Rektorin Feierling festgestellt, dass es oft die Eltern sind, die ihren Kindern Tipps für die Zukunft geben. „Aber in der Vielfalt der Berufe ist das kaum noch möglich. Deshalb müssen wir eben auch die Eltern beraten.“ Bei der Information der Schülerinnen und Schüler selbst hofft IHK-Präsident Auer auf das Fach Wirtschaft, dass ab 2016 in Baden-Württemberg unterrichtet werden soll. „Wir müssen den jungen Menschen zeigen, welche Möglichkeiten sie haben. Und welches Potenzial tatsächlich in ihnen steckt.“

Die dritte Veranstaltung der Podiumsreihe „Auf ein Wort“ der Wirtschaftsjunioren Freiburg findet am Dienstag, 13. Oktober, 18 Uhr, in den Räumen der Sparkasse Freiburg statt. Dabei wird sich alles um das Thema „Fazit – Ein Jahr Mindestlohn“ drehen.

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