Erinnert sich noch jemand an „Stuttgart 21“?
Außerhalb von Stuttgart hat man „S21“, das pharaonische Projekt eines unterirdischen Bahnhofs, längst vergessen. Dabei ist „S21“ so schlimm wie der Berliner Flughafen.
(KL) – Diese Woche fand in Stuttgart ein historisches Ereignis statt: Zum 450. fand die „Montags-Demo“ gegen das fast wahnwitzig anmutende Projekt „Stuttgart 21“ statt und die Situation hat einen Hauch von Schilda. Obwohl inzwischen sowohl die beiden letzten Bahnchefs Grube und Lutz, als auch Verkehrsminister Winfried Hermann „S21“ als „die größte Fehlentscheidung in der Eisenbahngeschichte“ bezeichnen, obwohl die Kosten inzwischen von 2,9 auf 8,2 Milliarden Euro explodiert sind (und eine Ende der Kostensteigerungen ist nicht abzusehen), denkt niemand in Stuttgart daran, aus diesem Projekt auszusteigen.
Zwei Argumente werden angeführt, um die Fortsetzung dieses Projekt zu rechtfertigen. Da wäre zum einen die Vertragsstrafe von 930 Millionen Euro, welche die Landesregierung bei einem Ausstieg an die Bahn (die Bauträger ist) zahlen müsste. Jetzt sind schon 3 Milliarden verballert, dann ziehen wir das Ding auch komplett durch, sagt man. Der andere Grund ist der immer wieder zu hörende Verweis auf die Volksabstimmung, die dieses Projekt abgesegnet hat. Nur ist dieses Argument ähnlich zutreffend wie das Geschwafel von Theresa May – sowohl bei der Volksabstimmung über „S21“ als auch über den „Brexit“ wurden die Wählerinnen und Wähler massiv belogen.
Die Bürgerinnen und Bürger hatten damals für ein schlüsselfertiges Projekt zum Preis von 2,9 Milliarden Euro gestimmt. Nicht aber für ein Projekt, das jetzt bereits bei 8,2 Milliarden steht und von dem sich alle Experten einig sind, dass die Endabrechnung deutlich über 10 Milliarden liegen wird. Aber kann eine Volksabstimmung, die unter Vortäuschung falscher Tatsachen abläuft, tatsächlich rechtlich und/oder politisch als Rechtfertigung herangezogen werden?
450 Montage hintereinander demonstriert das Häufchen der Aufrechten in Stuttgart und seit der ersten dieser Demonstrationen weiß man, dass die Gegner dieses Projekts Recht haben. Sie waren es, die wissenschaftliche Gutachten vorlegten, die Kostenmodell erstellten, die auf die technischen und geologischen Probleme beim Tunnelbau auf der Strecke nach Ulm hingewiesen hatten. Damals hat man sie belächelt, heute schauen die meisten Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger peinlich betreten weg, wenn sie an der Endlosbaustelle am Bahnhof vorbeikommen.
Zu einer Zeit, in der ständig das Instrument der Volksabstimmung gefordert wird, da man der Ansicht ist, dass die „Schwarm-Intelligenz“ der Bevölkerung schon alles richten wird, sollte man sich an all diese Volksabstimmungen erinnern, die in die Hose gegangen sind. Eine Volksabstimmung ist nur so gut, wie sich die öffentliche Meinung gegen Manipulationen schützen kann – und das kann sie offensichtlich nicht.
In der Zwischenzeit profitieren viele vom unbeirrten Weiterbauen an „S21“. Und am Ende? Am Ende ist es genauso fraglich, ob Stuttgart je einen Tiefbahnhof haben wird, wie es fraglich ist, ob je ein Flugzeug von BER abheben wird. Wie gut hätte man dieses Geld für die Sanierung von Infrastrukturen, von Schulen, von Krankenhäusern nutzen können!
Dass die Stimme der Bevölkerung künftig besser in den politischen Entscheidungen gehört werden muss, ist klar. Doch das Instrument der Volksabstimmung ist in dieser Form keine Lösung. Hätten die Menschen in voller Kenntnis dessen abgestimmt, was sie mit „S21“ erwartet, hätten sie garantiert nicht dafür gestimmt. Genau wie die Briten beim „Brexit“. In beiden Fällen darf man gespannt sein, wie diese jeweiligen Dramen enden werden…
Die Fälle sind sicher nicht vergleichbar, dürften aber beide teuer werden. Das die Mittel an anderer Stelle fehlen ist und war klar.
Leider sind Vernunft und Weitsicht keine einklagbaren Werte.
Doch, “S21″ und das “GCO” rund um Strasbourg sind vergleichbar. In beiden Fällen haben die Gegner des Projekts Gutachten und wissenschaftliche Analysen vorgelegt, warum beide Projekte ziemlicher Blödsinn sind. In beiden Fällen werden die Projekte mit einem einzigen Argument durchgezogen, nämlich dass das vor Jahrzehnten mal so entschieden wurde. Solche Entscheidungen sollten nicht mehr auf dem wackeligen Untergrund ideologischer Überlegungen durchgepeitscht werden, sondern auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten. Dann würde man solche irrwitzigen Projekte vielleicht nicht mehr machen, sondern lieber in die Sanierung maroder Infrastrukturen investieren.