Es ist wie damals…

Der Ukraine-Krieg wird lange dauern, sehr lange. Und er wird noch viele Opfer fordern, sehr viele. Die Propaganda auf beiden Seiten ist wie 1914 und 1939.

Hurra, endlich wieder Krieg! Folgen wir unseren Führern in den Krieg! Foto: Herhard Mester / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die vergilbten Fotos aus den Jahren 1914 und 1939 zeigen lachende Soldaten auf dem Weg zur Front, auf den Transportwaggons standen Dinge wie „Zu Weihnachten sind wir wieder zuhause“ oder „Jeder Schuss ein Russ’“ und in wenigen Wochen haben wir es geschafft, die gleiche Jubelstimmung für den Krieg aufzubauen wie damals. Von Weichei-Konzepten wie „Frieden“ will niemand mehr etwas hören, denn jetzt ist Krieg angesagt! Aber vielleicht wäre es sinnvoll, wenn der eine oder andere Kriegstreiber mal ein Geschichtsbuch öffnen würde um nachzuschauen, was Krieg eigentlich wirklich ist.

Die Propaganda-Maschinen laufen auf Hochtouren. Beide Seiten versichern ihren Bevölkerungen und Partnern, dass der Krieg militärisch schon bald gewonnen sei, dass jetzt nicht mehr viel fehlt und man habe den Feind für immer vernichtet. Die Notion „für immer“ scheint besonders die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ganz wuschig zu machen. Sie möchte Russlands Wirtschaft so zerstören, dass Russland „nie wieder“ irgendwen angreifen kann und dazu will sie „für immer“ den Import russischen Öls beenden. Was hat Deutschland für ein Glück gehabt, dass die internationale Gemeinschaft auch nach zwei angezettelten Weltkriegen nicht den gleichen Reflex hatte, Deutschland „für immer“ so zu schwächen, dass das Land nicht wieder auf die Füsse kommen kann.

Beide Seiten werfen sich entsetzliche Gräueltaten vor und bezichtigen sich gegenseitig der übelsten Kriegsverbrechen. Vermutlich haben damit sogar beide Seiten Recht, denn so etwas wie „ritterliche Kriegsführung“ gibt es nur in Artus-Sagen. Aber egal, jetzt ist erstmal Krieg! Hurra! Wir bekommen wunderschöne Heldengeschichten erzählt, ob sie nun stimmen oder nicht, die übelsten Schlägertypen werden zu Idolen, hurra!, es ist Krieg!

Nachdenklich wird man allerdings, wenn man die Siegesankündigungen „zum Jahresende“ hört. Während Russland immer wieder beteuert, dass die „Spezialoperation“ schrittweise vorangeht, erzählt die Ukraine, dass man bis Ende 2022 die Rote Armee aus dem ganzen Land geworfen haben wird. Dafür braucht es jetzt nur noch jede Menge Waffen und Geld, aber die wird der Westen ja gerne bereitstellen.

Die NATO schiebt sich durch die programmierte Aufnahme Finnlands und Schwedens direkt an die russische Grenze, auf über 1300 km Länge. Die russische Reaktion lässt nicht auf sich warten, inzwischen droht Russland auch im Falle der Verleihung des Kandidatenstatus für den Beitritt zur EU der Ukraine. Alle rennen weiter hinein in die Sackgasse, die Krieg heißt. Als ob die Welt nicht zwei solcher Kriege im letzten Jahrhundert erlebt hätte, als ob man nicht wüsste, dass Kriege nur Menschenleben kosten, ganze Länder verwüsten und Not und Elend auslösen. Ist es am Ende das Ratten-Syndrom? Ist Europa so überbevölkert, dass wir nun aufeinander losgehen, bis die Bevölkerung wieder unter ein Niveau sinkt, das man managen kann?

Beim nun beginnenden Weltwirtschaftsgipfel werden die Reichen und Mächtigen dieser Welt gemeinsam überlegen, wie sie während Krieg und Pandemie nicht nur ihre Schäfchen ins Trockene bringen, sondern ihre unglaublichen Vermögen weiter vermehren können. Beziehungsweise trotz ihres Versagens ihre Posten behalten können.

Währendessen muss man aber auch feststellen, dass alle Friedensforschung und Wissenschaft der letzten Jahrzehnte für die Katz’ war. Warum gibt es keine internationale Friedenskonferenz, bei der Forschungsinstitute wie das Stockholmer SIPRI mit am Tisch sitzen und bei der die besten Köpfe der Welt an Lösungen arbeiten, den dritten Weltkrieg noch zu verhindern?

Doch niemand will mehr über Frieden reden, Krieg ist ja auch viel aufregender. Dass wir gerade zum dritten Mal wie Lemminge nationalistisch verblendeten Führern ins Verderben folgen, scheint niemanden weiter zu stören. Doch wenn jemand wie Robert Habeck Friedensbemühungen für „moralisch verwerflich“ hält, dann kann man sich jetzt schon darauf einstellen, dass auch unsere Generationen das erleben werden, was unsere Eltern und Großeltern kaum zu erzählen in der Lage waren. Erstaunlich, dass die Menschheit nicht in der Lage ist, zu lernen. Der Preis, den wir alle für diese Lernunfähigkeit zahlen werden, wird hoch sein. Sehr hoch.

5 Kommentare zu Es ist wie damals…

  1. Herr Littmann, Ihren Pazifismus tragen Sie allerdings auf dem Rücken der Opfer aus, das ist schon klar? Alle sind halt Kriegstreiber, Hauptsache die Ideologie wird hochgehalten. Mir kommt’s vor wie auf einer Freiburger UNI Antifa-Veranstaltung.

    • Schon erstaunlich, dass in nur zwei Monaten Begriffe wie “Frieden” und “Pazifismus” so anders besetzt werden. Werden auch Sie zu denjenigen gehören, die nach dem III. Weltkrieg fragen werden, wie es so weit kommen konnte? Haben Sie tatsâchlich das Gefühl, dass alle alles daran setzen, nach Wegen zum Frieden zu suchen?

  2. Herr Littmann

    Ich habe mich jahrelang für Pazifismus engagiert, den Wehrdienst verweigert und an der “Rollstuhlfront” 24/7 gedient. Ich bin auch heute noch der Meinung, dass Krieg und Gewalt niemals Mittel der Politik und Auseinandersetzung sein dürfen. Im Zivilen genauso wie im Zwischenstaatlichen.

    Allerdings zeigt das Leben, dass dies nur gilt, wenn sich alle ohne Wenn und Aber daran halten. Es geht nicht, wenn nur einer “Mist baut” und die elementarsten Regeln des Miteinanders und der Menschlichkeit nicht einhält, Grenzen überschreitet und dem Nächsten gar das Existenzrecht abspricht. Eine traurige Erkenntnis.

    Pazifismus an dieser Stelle heißt dann “machen und gewähren lassen” und möglichst noch wegschauen. “Hoffentlich trifft’s mich nicht” .. ein Hohn für die Opfer.

    Ich ziehe Kinder groß und möchte genauso wenig wie Sie einen 3. Weltkrieg. Und offen gesagt, ich habe auch keine Antwort für die derzeitige Situation parat. Aber wegschauen und machen lassen ist keine Option. Auch wenn es sehr unangenehm ist heißt es jetzt Flagge zeigen und ja, auch ins Risiko gehen.

    Ich hätte nicht gedacht, dass Frau Bärbock zu so einer Haltung finden würde. Ich freue mich, dass hier jemand klar Flagge zeigt und Grenzen aufzeigt. Das ist keine Kriegstreiberei. Das ist notwendig.

    Wenn ich mir dagegen den Scholz und manch anderen anschaue frage ich mich, ob Leute mit solch einer angeborenen Passivität solche Situationen nicht erst provozieren.

    Es ist irgendwie wie im Appeasement 1938, man lässt gewähren, setzt auf “Verhandlungen” und wundert sich dann auch noch, wenn toxische Narzisten und Psychopaten sich den Raum nehmen und die Welt in Brand setzen.

    Ich stimme mit der im Artikel geäußerten Meinung in keinem Falle überein – ich finde es sogar feige! Ein friedliches Miteinander braucht klare Regeln – wenn diese nicht eingehalten werden bedarf es einer Durchsetzung und keines Wegschauens.

    Lieben Gruß nach Straßburg

    • Dass wir da nicht einer Meinung sind, ist klar. Aber Ihre Argumentation ist die gleiche, mit der man 1914 und 1939 in den Krieg gezogen ist. Es ist immer alles “alternativlos”, nur um sich Jahre später hinzustellen und “nie wieder Krieg!” zu murmeln. Wir haben längst nicht alle Optionen ausgelotet, dazu sind Krieg und neue Heldensagen viel zu spannend. Ich halte meine Meinung aufrecht – Krieg löst nichts, Krieg verursacht unendliches Leid und Krieg ist nie “alternativlos”. Nur nicht für diejenigen, die sich am Leid der anderen eine goldene Nase verdienen. Aber wie gesagt, das sieht jeder so, wie er es sieht. Und wenn Pazifismus als “Verhöhnung von Opfern”, als “gefährliche und verwerfliche Haltung” bezeichnet wird, spätestens dann sollte man überlegen, ob das alles wirklich in die richtige Richtung geht. Es ist gerade mal zwei Monate her, da war “Pazifismus” ein durchaus positiv besetzter Begriff, heute steht das Wort ja schon fast gleichbedeutend mit “Vaterlandsverrat”…

  3. Man muss nicht immer einer Meinung sein.

    Das Argument mit 14/39 kann ich definitiv nicht nachvollziehen. Es zieht momentan kein NATO-Land in den Krieg und niemand votiert dafür, als “aktive Kriegspartei” in einen Krieg zu ziehen. Und schon gar nicht mit Freude.

    Aktuell kommt es “lediglich” zu Waffenlieferungen und Ausbildung ukrainischer Soldaten. Ferner zu Embargos, die aber allenfalls langfristig wirken. Ich hoffe, wie Sie auch, dass das zielführend ist.

    Ich schätze es auch nicht so ein, dass es zu einer Verhandlungslösung kommen wird. Schon gar nicht, wenn eine Seite während der “Verhandlungen” versucht, mit aller Gewalt Fakten zu schaffen.

    Ich habe auch keine Vorstellung davon, wie man “Butscha” mit Pazifismus entgegentreten könnte. Offen gesagt, dass juckt Schlächter nicht.

    Den Begriff “Vaterlandsverrat” und “verwerfliche Handlung” wollen wir in diesem Kontext aber sicher nicht verwenden, denn darum geht es nicht.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste