EU-Außenpolitik: Europa macht jetzt erstmal Ferien

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel konnten sich die Staats- und Regierungschefs nicht auf die Nachfolge von Cathrine Ashton einigen. Also macht man erstmal Urlaub.

So, die EU schließt jetzt erstmal für die Sommerferien. Danach geht's aber ganz toll weiter. Bestimmt. Foto: Ronald Saunders / Warrington, UK / Wikimedia Commons

(KL) – Die Welt ist im Moment ein einziger Krisenherd. Bürgerkrieg in Syrien (der mittlerweile völlig vom Schirm der Weltöffentlichkeit verschwunden ist), Krieg zwischen Israel und den Palästinensern, Krieg in der Ostukraine, religiös motivierter Terror im Irak, in Afghanistan und in Nigeria. Dazu kommen massive Verschiebungen der Machtverhältnisse durch die neue Initiative der BRICS-Staaten. Und was macht die EU-Außenpolitik? Urlaub.

In Brüssel konnte man zwar Angela Merkel zum 60. Geburtstag ein Ständchen bringen, doch zur Wahl der Nachfolgerin der farblosen Hochkommissarin für Außenpolitik Catherine Ashton reichte es nicht. Denn in Europa herrschen Spannungen, die angesichts der Weltkrisen nur lächerlich sind. Und da man sich auf keinen Kandidaten einigen konnte, wurde die Entscheidung auf den 30. August vertragt. Urlaub machen ist scheinbar wichtiger als die EU-Außenpolitik. Die Weltkrisen müssen eben warten, bis die Brüsseler Spitzen erholt aus der Sommerfrische zurück sind.

Europa gibt momentan ein jämmerliches Bild ab. Nach dem Desaster der Europawahlen, bei denen die Europagegner die großen Gewinner waren und die politischen Führer die großartige Idee hatten, zunächst das Votum der Europäer bei den Europawahlen zu ignorieren, hat die große Nabelschau Europas begonnen. Es geht um Posten und Positionen, um gut dotierte Jobs und das Parken ausgedienter Politiker im Rentenalter in netten Versorgungsjobs und die EU-Spitzen scheinen gar nicht zu merken, dass sie täglich an Gewicht in allen wichtigen Vorgängen der Weltpolitik verlieren.

„Wir waren noch nicht an einem Punkt, an dem eine Konsens-Lösung für das gesamte Paket der Nominierungen möglich war“, bilanzierte Herrmann van Rompuy (falls Sie den Belgier nicht kennen sollten, der Mann ist noch EU-Ratspräsident. Vielleicht haben Sie ihn schon bei der einen oder anderen Preisverleihung gesehen…). Und auch Angela Merkel zeigte sich zufrieden mit dem Nicht-Ergebnis des Gipfels. „Ich bin sicher, dass wir am 30. August eine Entscheidung treffen können“, erklärte die Kanzlerin. Na prima. Es hat ja auch niemand eilig. Die Welt wartet ganz bestimmt darauf, dass sich die europäischen Spitzenkräfte nach ihrem Urlaub zu Entscheidungen durchringen.

Der Gipfel wollte sich nicht auf die italienische Außenministerin Federica Mogherini als neue „EU-Außenministerin“ festlegen. Zwar weiß niemand, was tatsächlich hinter den verschlossenen Türen Brüssels besprochen wurde, doch darf man stark annehmen, dass es im Moment vor allem um den Poker zwischen Großbritannien und dem Rest der EU geht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Briten dem neuen Präsidenten der EU-Kommission eine Art „Aufpasser“ an die Seite stellen würden, doch was das „EU-Außenministerium“ angeht, sind die Briten nicht dran. Nachdem sie bereits mit Cathrine Ashton eine Außenbeauftragte gestellt hatten, die vor allem durch ihre perfekte Unauffälligkeit auffiel, sollte die Nachfolge auf keinen Fall aus einem Land kommen, das sich in Europa überwiegend durch Europa-Sabotage und permanente Austrittsdrohungen hervortut. Wer Europa nicht will, sollte Europa auch nicht nach außen vertreten.

Europa wird immer mehr das, was Ottfried Preussler in seinem Kinderbuch mit dem „Scheinriesen“ beschrieb. Bei ihren Abenteuern trafen Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer, Herrn Tur Tur, den Scheinriesen. Dieser wirkt aus der Entfernung gigantisch, doch je mehr man sich ihm nähert, desto kleiner wird er. Und wenn man direkt vor ihm steht, dann ist er genauso groß oder klein wie man selbst. So zumindest ist mittlerweile die Wahrnehmung der EU in der Welt – und die neu besetzten europäischen Institutionen werden einen mächtig guten Job machen müssen, um diesen Eindruck zu korrigieren. Aber erst nach dem Urlaub.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste