(Fast) allein gegen alle – Viktor Orban
Beim EU-Gipfel in Brüssel steht Viktor Orban allein auf weiter Flur. Nur seine Freunde aus Polen und Slowenien halten zu ihm. Der Rest der EU würde Ungarn am liebsten einen „Hungaroxit“ organisieren sehen.
(KL) – Es war wohl nicht so sonderlich schlau von Viktor Orban darauf zu bestehen, dass die UEFA die Regenbogen-Beleuchtung der Münchner Allianz-Arena verbietet. Denn plötzlich interessierte sich ganz Europa für das neue ungarische Gesetz, das „Werbung für Homosexualität“ unter Strafe stellt. Beim EU-Gipfel in Brüssel war dies zwei Stunden lang das Thema, bis Ratspräsident Charles Michel die Sitzung abbrach. Denn zwischen Ungarn und der EU ist das Tischtuch weitgehend zerschnitten. Die Reaktionen der übrigen Staats- und Regierungschefs waren scharf.
Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel, der homosexuell ist und vor sechs Jahren seinen Lebensgefährten geheiratet hat, warf Orban vor, „eine rote Linie“ überschritten zu haben. Mark Rutte, der niederländische Regierungschef, riet Orban, dem britischen Beispiel zu folgen und den Austritt Ungarns aus der EU zu beantragen, wenn sich dieser so offensichtlich nicht in den europäischen Werten wiederfindet. Die anderen Regierungschefs hatten Orbans neues Gesetz als „falsch“, „eine Schande“ und ähnlich qualifiziert und bereits vor dem Gipfel hatten 15 Regierungschefs einen Brief an Orban aufgesetzt, in dem sie das ungarische Vorgehen scharf kritisieren. Interessant ist, dass von den östlichen EU-Mitgliedern lediglich Estland und Lettland diesen Brief unterzeichnet haben – es geht ein Bruch durch die EU und dieser Bruch verläuft zwischen den westlichen und den östlichen Mitgliedsstaaten.
Orbans Einlassungen bei EU-Gipfel klangen wie Hohn. „Das Gesetz richtet sich nicht gegen Homosexualität, ich selbst verteidige die Rechte von Homosexuellen“, erklärte Orban und man hätte fast Lust zu lachen, wäre die Situation für die Betroffenen nicht so ernst.
Die Liste uneuropäischer Aktivitäten des Viktor Orban wird immer länger. Zerschlagung der freien Presse, Weigerung zur Aufnahme von 1248 Flüchtlingen, hohe Subventionsforderungen – Das Ungarn Viktor Orbans betrachtet die EU offenbar als eine Art Selbstbedienungsladen. Doch einmal mehr zeigt sich, dass die EU ein unpassendes Regelwerk hat, das es nicht ermöglicht, einzelne Mitgliedsstaaten zu räsonieren. Die Verhängung von Sanktionen ist nur einstimmig möglich, das Aussetzen des Stimmrechts oder gar ein Ausschlussverfahren einzelner Mitgliedsstaaten sind unter den aktuellen Regeln nicht möglich.
Doch langsam wird es unerträglich, dass die EU eine Art Westentaschen-Erdogan durchfüttert, der keine Gelegenheit auslässt, die EU am Nasenring durch die Manege zu führen. Doch seltsamerweise ist das für die EU immer noch kein Grund, ernsthaft an einer Reform des europäischen Regelwerks zu arbeiten. Aber dass eine Staatengemeinschaft, die nicht einmal in der Lage ist, das Fehlverhalten einzelner Mitglieder zu sanktionieren, auf internationalem Parkett kaum Gewicht hat, ist wenig verwunderlich. Es wird immer dringender, dass die EU von ihrem Prinzip der Einstimmigkeit abrückt und sich ein vernünftiges, qualifiziertes Mehrheiten-System gibt. Wenn das Viktor Orban und seinen Freunden in Polen, Slowenien oder auch der Tschechischen Republik nicht passt, dann können sie ja ihren eigenen „Visegrad“-Staatenbund gründen. Das allerdings ohne die Mittel der EU.
Das letzte Wort gehört Xavier Bettel, dem Regierungschef Luxemburgs: „Das ist nicht das Europa, in dem ich leben möchte“…
Kommentar hinterlassen