Ein ungarisches Eigentor

Durch den Wirbel um die Beleuchtung der Münchner Allianz-Arena hat Europa das ungarische Gesetz entdeckt, das „Werbung für Homosexualität“ verbietet. Ungarn ist auf dem Weg zurück ins Mittelalter.

Kunstwerke wie diese sind künftig in Ungarn verboten - "entartet"... Foto: Raphael Perez Israeli Artist / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Wahrscheinlich wäre das ungarische Gesetz, das „Werbung für Homosexualität“ verbietet, unbemerkt vom Rest der Welt geblieben, hätte die ungarische Regierung nicht bei der willfährigen UEFA ein Verbot der geplanten Regenbogen-Beleuchtung der Münchner Allianz-Arena erwirkt. Denn die Beleuchtung in den Farben der LGBT-Bewegung hatte die gesamte ungarische Führung in helle Aufregung versetzt, angesichts der drohenden Gefahr, dass Ungarinnen und Ungarn beim Anblick des derart erleuchteten Stadions reihenweise und spontan homosexuell werden könnten. Also lohnt es sich, einmal genauer zu schauen, was für ein Gesetz die ultranationalistische Regierung von Viktor Orban da verabschiedet hat.

Dieses Gesetz, das jegliche Art von „Werbung“ für Homosexualität auf allen Informationsträgern, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind, also Filmen, Büchern, Websites etc. verbietet, geht noch wesentlich weiter. Ab sofort ist auch Werbung verboten, in der Homosexuelle im „normalen“ Leben gezeigt werden. Kurz – jede Art der Kommunikation, die sich positiv oder auch nur neutral mit dem Thema beschäftigt, ist ab sofort verboten. Blöd für zahlreiche, weltweit operierende Konzerne, die einen Teil ihres Werbebudgets für die homosexuelle Zielgruppe ausgeben – sie können Ungarn künftig vergessen.

Es ist ein alter Hut, dass diejenigen, die am virulentesten gegen Homosexuelle wettern, selbst latente homosexuelle Neigungen haben. Dies scheint im gesamten ungarischen Parlament der Fall zu sein, denn die Vorstellung, dass jemand homosexuell wird, weil er eine „Werbung“ dafür gesehen hätte, ist so realitätsfremd wie die ungarische Regierung selbst.

Selbst die Präsidentin der EU-Kommission Von der Leyen zeigte sich geschockt und nannte dieses neue Gesetz „eine Schande“. Aber was kümmert das die Ungarn, die sich in der Europäischen Union nur um ihre Subventionen kümmern, ansonsten aber mit europäischen Werten nicht viel am Hut haben.

Mit Konsequenzen wird Ungarn nicht zu rechnen haben – denn wie immer bräuchte es selbst für einen Rüffel die heilige Einstimmigkeit aller 27 Mitgliedsstaaten und die kann es gar nicht geben, weil die „Brüder im Geiste“ Polen und Ungarn sich gegenseitig mit ihrem Veto vor Sanktionen schützen.

„Grundsätzlich ist die ungarische Regierung absolut offen für eine entsprechende Debatte“, erklärte Außenminister Peter Szijjarto. Angesichts der Tatsache, dass dieses Gesetz mit nur einer Gegenstimme durch das ungarische Parlament gesegelt ist, klingt selbst diese Aussage wie Hohn.

Es ist erschreckend, wie wenig die „europäischen Werte“ wie Toleranz oder Solidarität noch in der Union im Jahr 2021 zählen. Und es ist erstaunlich, dass die EU als Gesamtheit immer noch nicht auf die Idee kommt, sich endlich von innen heraus zu reformieren. Worauf wartet man? Dass nach den Briten weitere Mitgliedsstaaten der EU enttäuscht den Rücken kehren? Die einzigen, die offenbar noch ihrem Unmut Ausdruck verleihen können, sind nun die Europäerinnen und Europäer, die künftig genauer überlegen sollten, wo sie ihr Geld im Urlaub ausgeben. Es gibt auch schöne Reiseziele, wo man es mit Menschenrechten etwas genauer nimmt…

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