François Hollande zeigt sich dann doch als großer Präsident

Großrabbiner Gutmann und Präsident Hollande zeigten sich von der Verwüstung des jüdischen Friedhofs in Sarre-Union betroffen. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Offenbar kann Präsidenten nichts besseres passieren als ein Anschlag zur rechten Zeit. Erinnern wir uns zurück – vor den Attentaten in Paris lag Hollande bei gerade mal 19 % Zustimmung in der Bevölkerung – nach den Attentaten stiegen seine Werte plötzlich auf 40 %. Dann kam die sinnvolle, mutige, gut gemeinte und leider nutzlose Friedensinitiative gemeinsam mit Angela Merkel in Kiew, Moskau und Minsk und nun zeigte er sich auf dem verwüsteten jüdischen Friedhof in Sarre-Union (Nord-West-Elsass) wieder als Staatsmann.

Die Täter von Sarre-Union, die den uralten jüdischen Friedhof der Stadt verwüstet haben, fünf Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren, von denen sich der erste bei der Polizei stellte, als er mitbekam, welch eine nationale und internationale Empörung dieser Akt des Vandalismus ausgelöst hatte, woraufhin die ganze Gruppe festgenommen wurde, saßen gestern noch in Untersuchungshaft, wobei sie selbst das Ganze als „Dummejungenstreich“ darstellen.

Frankreich reagiert auf die Ereignisse in der Welt auf überraschend positive Weise. Der französische Präsident sammelte sicher noch einmal Punkte, als er in Sarre-Union erklärte, „Die Republik ist stärker als der Hass!“. Wie auch die Kanzlerin Angela Merkel nach den Anschlägen von Kopenhagen erklärte auch Hollande, dass sein Land entschlossen sei, seine jüdischen Mitbürger zu verteidigen und zu schützen.

François Hollande sprach auch von der „Schande“, die solche Angriffe auf die jüdische Gemeinschaft für sein Land darstellt – und erklärte, dass er sich weigere, die Verwüstung eines der ältesten jüdischen Friedhöfe im Elsass als „Kurzmeldung“» oder „banalen Angriff“» abzutun. Für den französischen Präsidenten ist das, was in Sarre-Union geschehen ist, „der Ausdruck der Übel, die gerade an unserer Republik nagen“». Und da hat er wohl auch Recht.

„Wer einen Friedhof zerstört, greift nicht nur die Toten an, sondern auch die Lebenden“, sagte Hollande. Und plötzlich versteht man, warum der Straßburger OB Roland Ries als Reaktion auf die Anschläge von Paris die „Bürgerkonferenzen“ zu Themen wie „Die Rolle der Familie und der Schule“ ins Leben gerufen hat – denn auch, wenn man bei jugendlichen Tätern kein ausgereiftes politisches Motiv vermuten kann, so stellt sich doch die Frage, warum niemand diesen Jugendlichen beigebracht hat, dass die Zivilisation, wie wir sie kennen, mit der Ehrung der Verstorbenen begonnen hat – was das erste Anzeichen für eine Spiritualität war, die an etwas glaubte, was sich jenseits des irdischen Daseins abspielt. Offenbar sind viele Familien und auch die Schule mittlerweile überfordert, wenn es darum geht, Jugendlichen so etwas wie Werte zu vermitteln. Hier wird man ansetzen müssen und der französische Präsident, ebenso wie der Straßburger OB, scheinen entschlossen zu sein, genau hier die Hebel anzusetzen.

Würdevoll war der Besuch Hollandes in Sarre-Union und eine starke Geste obendrein. Statt ein Kabinettsmitglied zu schicken, kam der Präsident selbst und demonstrierte damit, dass die sich französische Regierung tatsächlich dafür engagiert, dass der Antisemitismus in Frankreich nicht als Randnotiz durchgeht.

Den Worten müssen nun Taten folgen. Denn der Antisemitismus in Frankreich, der in den letzten Jahren immer weiter angestiegen ist, aber auch Phänomene wie Kleinkinder, die offenbar so von ihren Familien indoktriniert wurden, dass sie sich demonstrativ nicht an der Schweigeminute für die Opfer der Pariser Attentate beteiligten, zeigen deutlich, dass nun alle Ebenen der Gesellschaft gefordert sind. Viel zu lange haben wir nichts gesagt, haben Entwicklungen stattfinden lassen, die sich heute als Nährboden für Hass und Gewalt in der Gesellschaft erweisen.

Wenn Hollande es jetzt auch noch hin bekommt, das „politische Tagesgeschäft“» ähnlich gut zu führen wie seine Auftritte in Krisenmomenten, dann wird es Frankreich schon bald deutlich besser gehen. Doch steht zu befürchten, dass sich diese Größe, die er in den letzten Wochen gezeigt hat, kaum auf dieses politische Tagesgeschäft übertragen lässt. Schade.

Ein "Dummejungenstreich"? (c) Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

Ein “Dummejungenstreich”? (c) Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

Gewaltexzess. (c) Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

Gewaltexzess. (c) Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

Unfassbar. (c) Claude Truong / Eurojournalist(e)

Unfassbar. (c) Claude Truong / Eurojournalist(e)

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