Frankreich geht dem rechtsextremen Front National auf den Leim

Bei der Abgeordneten-Nachwahl im 4. Wahlkreis des Departements Doubs steht der Front National auf Platz 1. Der zweite Wahlgang am Sonntag wird spannend.

Wenigstens die frühere Ministerin Nathalie Kosciusko-Morizet (UMP) scheint die Gefahr durch den FN richtig zu bewerten. Foto: I, Apg92 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wo ist denn nur „Charlie“ geblieben? Nachdem der frühere Minister Pierre Moscovici seinen Posten als EU-Kommissar angetreten hat, muss nun sein Abgeordnetensessel in der französischen Nationalversammlung neu besetzt werden. Beim ersten Wahlgang am letzten Wochenende bewahrheiteten sich die schlimmsten Befürchtungen – der Front National liegt an erster Position und es kommt zu einer Stichwahl zwischen der FN-Kandidatin Sophie Montel (32,6 %) und dem Sozialisten Frédéric Barbier (28,85 %). Obwohl es nur um einen einzigen Abgeordnetensitz geht, bewegt diese Wahl das ganze politische Frankreich.

Erste Feststellung: Für die völlig zerstrittene konservative Partei UMP gestaltet sich die Zukunft schwierig. Deren Kandidat Charles Demouge kam nur auf 26,54 % und verpasste somit knapp den zweiten Wahlgang. Die internen Machtkämpfe zwischen Fillon, Copé, Juppé und mittlerweile auch wieder Sarkozy haben die politische Glaubwürdigkeit der UMP derart erschüttert, dass ihr die Wähler weglaufen. Das Verhalten der Parteioberen zu dieser Nachwahl im Doubs ist allerdings auch nicht geeignet, neues Vertrauen bei den Wählern zu schaffen. Während sich Nicolas Sarkozy im Vermeiden von Stellungnahmen übt, indem er keine Wahlempfehlung für den zweiten Wahlgang aussprechen will, haben sich Alain Juppé und die frühere Ministerin Nathalie Kosciusko-Morizet klar dafür ausgesprochen, republikanisch, also gegen den FN zu stimmen. Doch was soll man von einer konservativen Partei halten, deren Führungsspitze nicht einmal eine gemeinsame Position gegenüber den Rechtsextremen findet?

Zweite Feststellung: Die Sozialisten können wieder einmal über den Tellerrand blicken. Zwar hat die PS im 4. Wahlkreis des Departements Doubs massiv Stimmen verloren (Barbier holte nur noch 28,85 % der Stimmen), doch reicht es noch, um in den zweiten Wahlgang zu kommen. Angesicht der noch zu Jahresbeginn katastrophalen Umfragewerte für die PS, muss dies bereits als Erfolg gewertet werden.

Dritte Feststellung: Der rechtsextreme Front National hat, trotz oder wegen der Attentate von Paris, immer stärkeren Rückenwind. Wenn fast ein Drittel der Wähler rechtsextrem wählt, sollten die anderen Parteien vielleicht doch einmal darüber nachdenken, was sie gerade falsch machen. Denn angesichts der politischen Ambitionen der FN-Führerin Marine Le Pen sollte man die Gefahr einer Machtübernahme durch den FN im Jahr 2017 nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Was uns zurück zur Eingangsfrage bringt: Wo ist denn nur „Charlie“ geblieben? Haben die Franzosen etwa immer noch nicht begriffen, wohin der Weg des Extremismus führt? Unglaublich, dass in einem Moment, in dem eigentlich das ganze Land zusammenstand, der Aufstieg des FN unaufhaltsam weitergeht.

Frankreich spielt mit dem Feuer. Mit wem man auch spricht, jeder versucht beruhigend zu wirken, wobei die Aussage „Du wirst schon sehen, wenn es darauf ankommt, werden wir schon den FN zu verhindern wissen“. Alleine – die Zahlen und Fakten sagen das genaue Gegenteil aus. Von Wahl zu Wahl wird der Front National stärker. Die Nachwahl im Doubs bestätigt den Wahlerfolg des Front National bei den Europawahlen, bei denen die Rechtsextremen bereits als stärkste Partei Frankreichs abschnitten.

Und geradezu erschreckend ist es, welches Bild dabei die französischen „Spitzenpolitiker“ abgeben. Vor allem Nicolas Sarkozy zeigt, dass er sich wirklich nicht für eine erneute Kandidatur fürs Präsidentenamt eignet. Wenn sich Sarkozy nicht entscheiden kann, ob er seinen Parteifreunden raten soll, für oder gegen den FN zu stimmen, dann sollte er vielleicht lieber seinen Ruhestand mit Carla Bruni genießen, statt den Franzosen und Europa erneut auf die Nerven zu gehen.

Am Sonntag wird man mehr wissen – sollte sich dann die FN-Kandidatin durchsetzen und der PS einen Abgeordnetensitz abjagen, dann sollten in ganz Frankreich die Alarmleuchten auf „rot“ schalten. Denn dann ist es wirklich 5 vor 12 für Frankreich.

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