Frankreich: Ist der grüne Traum schon ausgeträumt?

Bei den letzten Kommunalwahlen eroberten die Grünen in Frankreich die OB-Sessel in 6 der 10 größten französischen Städte. Und wie haben sie jetzt abgeschnitten?

Kopf hoch, Yannick Jadot, Läbbe geht weiter... aber ein paar Fragen sollten sich die Grünen schon stellen... Foto: Greenbox / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Am Sonntagabend gab es bei den Konservativen (LR), den Sozialisten (PS) und den Grünen lange Gesichter – die Kandidaten und Kandidatinnen der drei Parteien blieben unter der 5%-Hürde und bleiben daher auf ihren Wahlkampfkosten sitzen. Bereits am Montag verbreiteten sowohl die Kandidatin der LR, Valérie Pécresse, als auch der grüne Kandidat Yannick Jadot herzzerreißende Spendenaufrufe, die allerdings in Frankreich nur Hohn und Spott auslösten. Nachdem vor zwei Jahren die Grünen bei den Kommunalwahlen einen überraschenden Erfolg verbuchten und in 6 der 10 größten französischen Städte die OB-Sessel gewonnen hatten, erhielten sie bei diesem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen eine herbe Rückmeldung aus der Wählerschaft.

Der grüne Kandidat Yannick Jadot blieb in den Städten mit grünem OB überall unter 10 % – was nicht gerade ein Zeichen dafür ist, dass die Menschen in diesen Städten sehr zufrieden mit ihren neuen OBs sind. Ob in Bordeaux (8,17 %), in Lyon (7,67 %), Grenoble (8,95 %), Straßburg (6,41 %), Tours (6,29 %) oder Poitiers (6,98 %) – der grüne Kandidat Jadot konnte nicht einmal in diesen „grünen Städten“ punkten. Doch ist das noch lange kein Grund für die Grünen, sich in Frage zu stellen (was übrigens auch die anderen Parteien, die noch heftigere Niederlagen einstecken mussten, auch nicht tun). Natürlich ging es bei dieser Wahl um die Präsidentschaft und nicht in erster Linie um lokale oder regionale Belange, doch ist das Ergebnis des grünen Kandidaten derart schlecht, dass man dieses Signal aus der Wählerschaft auch durchaus einmal ernstnehmen könnte.

Dass die Grünen dort, wo sie auch sonst verlieren, keinen Stich gemacht haben, ist nachvollziehbar. Auch dies teilen sie mit anderen Parteien. Aber dass sie in ihren Hochburgen bestenfalls auf dem vierten Platz landen, das sagt schon eine Menge aus. Der erste „echte“ Wahltest für die grünen Stadtregierungen ist also ein Schlag ins Wasser gewesen. Dass die Grünen jetzt auch noch auf ihren Wahlkampfkosten sitzenbleiben, war sicherlich nicht eingeplant und stellt ein riesiges Problem dar, denn dieses Geld wird nun auch für die Parlamentswahlen im Juni fehlen.

Vielleicht sollten die Grünen nach diesem Wahldesaster überlegen, ob sie nach zwei Jahren im Rathaus von großen Städten wirklich dort auch angekommen sind und ob die Bevölkerung in diesen Städten sie so wahrnimmt, wie sie sich selber sehen. Zwischen beiden Betrachtungsarten scheint dann doch eine große Lücke zu klaffen, doch ist es nie zu spät, die Dinge besser zu machen. In den Städten werden die Grünen oft als sehr distanziert und kommunikationsschwach wahrgenommen, eher als Herrscher über diese Städte, die ihr Ding durchziehen und da die nächsten Kommunalwahlen noch ein paar Jahre auf sich warten lassen, könnte man sich hier verbessern.

Doch in den Nachbetrachtungen zu diesem ersten Wahlgang am letzten Sonntag fehlt praktisch überall so etwas wie Selbstkritik. Schuld an den Wahldebakeln sind die anderen, die Konjunktur, der Ukraine-Krieg, die Pandemie und das Wetter, aber nicht man selbst. Doch sollten sich die Grünen dann doch ein paar Fragen stellen und die Antworten in ihrem Programm für die Parlamentswahlen umsetzen. So könnte man beispielsweise die Frage stellen, wie wählerwirksam es für einen grünen Kandidaten ist, sich in TV-Debatten als Atomkraft-Fan zu outen. Dass Jadot mit dieser Aussage viele potentielle Grünen-Wähler vergrätzt hat, darf eigentlich niemanden verwundern. Und auch die Frage der Führung der Amtsgeschäfte in den großen Städten sollte man hinterfragen, denn in der Politik ist nicht die Frage entscheidend, ob man sich selbst klasse findet, sondern ob die Wählerinnen und Wählerinnen einen so gut finden, dass sie beim nächsten Mal wieder für einen stimmen.

Nach den überraschenden Erfolgen der Grünen vor zwei Jahren hatten viele Beobachter gedacht, dass sich nun eine (relativ) neue Kraft dauerhaft in der französischen Politiklandschaft etablieren könnte. Eine Art „grüner Traum“ wurde in diesen Städten plötzlich Wirklichkeit. Doch wenn man die Ergebnisse von Yannick Jadot sieht, könnte man sich die Frage stellen, ob dieser „grüne Traum“ schon ausgeträumt ist. Die Grünen sollten diese Ergebnisse ernstnehmen und versuchen, aus ihrem Elfenbeinturm herauszukommen. Noch ist Zeit dafür.

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