Frankreich ist überall

Streiks, Streiks, Streiks – aber eben nicht nur bei den französischen Nachbarn, sondern auch in Deutschland. Wird 2018 das Jahr der sozialen Spannungen in Europa?

Wilde Warnstreiks in Deutschland, sauber organisierte Streikwellen in Frankreich - irgendwie steht alles auf dem Kopf... Foto: Wolf-Dieter / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Das ist erstaunlich – während in Deutschland die Gewerkschaft ver.di ziemlich wilde Warnstreiks veranstaltet, um der Forderung nach 6 % mehr Lohn oder Gehalt (mindestens aber +200 € im Moment) Nachdruck zu verleihen, organisieren die französischen Eisenbahner einen geradezu „deutschen Streik“ – mit einem auf drei Monate angelegten Streikkalender, dem jeder entnehmen kann, wann wo und wie gestreikt wird. Werden die französischen Gewerkschaften plötzlich deutsch und die deutschen Gewerkschaften französisch?

Das Chaos in Deutschland war gestern perfekt. In vielen deutschen Städten stand der öffentliche Nahverkehr still, Kitas und Stadtverwaltungen blieben geschlossen, andernorts wurde der Müll nicht abgeholt und sogar in Krankenhäusern musste punktuell ein Notdienst eingerichtet werden. Da diese Streiks, wenn überhaupt, nur sehr kurzfristig angesetzt werden, ist es praktisch unmöglich, sich auf die damit verbundenen Unannehmlichkeiten einzustellen. Ganz anders in Frankreich – der Streikkalender gibt genau an, an welchen Tagen der Bahnverkehr nicht rollt und somit kann man um diese Streiktage herum planen. Was dann organisatorisch ziemlich deutsch ist.

Nichtsdestotrotz muss man feststellen, dass in vielen europäischen Ländern der soziale Frieden massiv gestört ist. Doch sind die Gründe für diese sozialen Spannungen nicht die gleichen. In Frankreich wehren sich die Gewerkschaften gegen den Kahlschlag in den Sozialsystemen, den der neue Präsident Macron ziemlich gnadenlos durchführt, in Deutschland will der Öffentliche Dienst ein Stück vom Kuchen von Steuermehreinnahmen abhaben. Beides ist verständlich, ist aber auch mit einer heftigen Nervenbelastung für die Menschen verbunden.

Problematisch ist bei den ganzen Streiks nur eines – in einer Phase eines leichten Konjunkturaufschwungs gefährden lange anhaltende Streiks genau dieses zarte Pflänzchen des Aufschwungs, da Streiks im Transportwesen immer zu wirtschaftlichen Engpässen in der Produktion führen, nicht nur, weil Arbeitnehmer Probleme haben, an den Arbeitsplatz zu kommen, sondern beispielsweise auch überall, wo „Just-in-Time“ produziert wird und plötzlich wichtige Baugruppen oder Rohmaterialen im Produktionsprozess fehlen.

Es wäre vielleicht an der Zeit, Themen wie die Trennung zwischen Kirche und Staat oder Pflege der nationalen Identität aus dem politischen Diskurs zu verbannen und sich stattdessen um diejenigen Themen zu kümmern, die wirklich wichtig sind. Es wäre schade, wenn der aktuelle Aufschwung in Frage gestellt würde, weil er durch eine Streikwelle annulliert wird. Das wäre nämlich dann genau das, was KEINER der Sozialpartner möchte.

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