Frankreichs Bauernaufstand

Nach den massiven Demonstrationen der Bauern in den Niederlanden und in Deutschland, legen die französischen Bauern noch eine Schippe drauf – die Proteste sind hier härter als anderswo.

In 85 Departements führen die französischen Bauern ihre Aktionen durch - ein Ende ist nicht absehbar. Foto: MORAD CHERCHARI / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Bauernaufstände sind nichts Neues in Europa. Bereits im frühen Mittelalter standen die Landwirte häufiger auf den Barrikaden, sei es in der Schweiz, in Flandern und in England (13./14. Jahrhundert), sei es in Böhmen (15. Jahrhundert) oder die Bundschuh-Bewegung, die ebenfalls im 15. Jahrhundert in Süddeutschland und der Schweiz entstand. Die Liste der Bauern-Aufstände könnte beliebig erweitert werden, da es so viele von ihnen gab. In der Folge kam es von 1524 bis 1526 zu einem regelrechten Bauernkrieg, bei dem erstaunlicherweise die Themen gar nicht so weit von denen der heutigen Zeit entfernt waren. Die Bauern wehrten sich immer schon dagegen, unter harten Lebensbedingungen für das leibliche Wohl der Obrigkeit zu sorgen, ohne im Gegenzug entsprechende Rechte zu haben.

Nun ist der Funke der aktuellen Bauern-Proteste, der 2022 in den Niederlanden begann, sich in diesem Winter den Weg nach Deutschland bahnte, auch nach Frankreich übergesprungen. Doch während in Deutschland die Bauernproteste in „gesitteten“ Bahnen verliefen (so respektierten die demonstrierenden Bauern das Verbot für Traktoren auf Autobahnen, weswegen „nur“ die Autobahn-Auffahrten blockiert wurden), sind die Proteste in Frankreich deutlich militanter.

In 85 der 95 französischen Departements laufen momentan Aktionen der Bauern, werden Autobahnen blockiert, werden Mistfuhren vor öffentlichen Gebäuden und Amtssitzen ausgekippt und die Paläste der Macht mit Gülle besprüht. Dabei erfreuen sich die französischen Bauern einer starken Sympathie und Unterstützung in der Bevölkerung, so dass die französische Politik nicht genau weiß, wie sie mit diesen Protesten umgehen soll. Bei einer so starken Solidarität seitens der Bevölkerung, kann man nicht einfach Polizeikräfte zu den Demonstrationen schicken, um diese gewaltsam zu beenden.

Und was wollen die französischen Bauern? Die Forderungen wurden in Form einer Liste mit 100 Einzelforderungen, die unter 24 Punkten zusammengefasst sind, an den zuständigen Minister übergeben, zusammen mit der Ansage, dass diese Forderungen nicht verhandelbar sind. Die wichtigsten Forderungen der französischen Bauern ähneln stark den Forderungen ihrer deutschen Kollegen.

Zunächst wollen die Bauern für ihre Arbeit besser entlohnt werden und fordern deshalb Soforthilfen und die sofortige Auszahlung von schon lange zugesagten Hilfen wegen der Pandemie und der Inflation. Dazu, wie in Deutschland, sollen sofort die Pläne vom Tisch, die Steuererleichterungen für Agrar-Diesel abzuschaffen. Ebenso fordern die Bauern, dass sämtliche von ihnen einzuhaltenden Normen und Vorschriften auf den Prüfstand kommen und diejenigen abgeschafft werden, die mit den Realitäten auf dem Acker und im Stall nur wenig zu tun haben. Besonders im Visier der Landwirte: die französischen Vorschriften, die in vielen Punkten von den europäischen Vorgaben abweichen, aber dennoch eingehalten werden müssen.

Die Bauernverbände erwarten nun die Umsetzung ihrer Forderungen und verspüren wenig Lust, über diese zu verhandeln. Und der Ärger wächst, was man an der Militanz vieler der landesweiten Aktionen erkennt, die trotz der Unannehmlichkeiten für die Bevölkerung stark unterstützt werden. Anders als in Deutschland ist es den französischen Bauern egal, dass sie mit ihren Traktoren nicht auf der Autobahn fahren dürfen, sondern sie sperren die Autobahnen ganz gezielt mit den Traktoren. So ist bispielsweise die Straßburger Stadtautobahn M35 am Mittwoch und Donnerstag in beiden Fahrrichtungen blockiert worden, was zu stundenlangen Staus führte, ebenso wie im Südwesten Frankreichs oder der Bretagne. Lyon, Rennes, Agen und in vielen weiteren Städte und auf vielen Autobahnen bietet sich das gleiche Bild – Traktoren blockieren die Autobahnen.

Dazu schwebt eine konkrete Drohung über dem Land – sollte die Regierung nicht unverzüglich den Forderungen der Bauern nachkommen, ist Paris das nächste Ziel der Bauern, die Hauptstadt, in der man sich bereits heute so viel Mühe gibt, ausländischen Besuchern kurz vor den Olympischen Spielen vorzugaukeln, alles sei in Frankreich in Ordnung. Für die Bauern wäre es kein Problem, auch die Hauptstadt komplett zu lähmen und es ist fraglich, ob sich die Polizei, die momentan ebenfalls gegen ihr „Verheizen“ während der Olympischen Spiele demonstriert, tatsächlich gegen die Bauern vorgehen würde. Es ist ebenso denkbar, dass sich die Polizei mit den Bauern solidarisiert, was die Regierung unter einen noch brutaleren Zugzwang setzen würde.

Die Entwicklung der Lage ist bedenklich, denn der Funke der Rebellion kann problemlos auch auf weitere Länder überspringen. Dass einige der Forderungen der französischen Bauern durchaus bedenklich sind, insbesondere die Forderung nach weniger Umweltschutz in der Landwirtschaft, fällt kaum ins Gewicht.

Frankreichs Politik steht unter massivem Zugzwang, will sie eine weitere Eskalation dieser militanten Proteste befrieden. Als „Ernährer der Nation“ haben die Bauern kaum Gegenwind, und zahlreiche andere Berufsstände sind nicht nur solidarisch, sondern könnten sich aktiv an diesen Protesten beteiligen. Eine sachlich Diskussion ist kaum noch möglich, bereits die Unterscheidung zwischen riesigen agro-alimentären Betrieben und kleinen Bauern wird nicht mehr gemacht und Europa und die „PAC“ (gemeinsame Landwirtschaftspolitik der EU) gerät immer mehr ins Kreuzfeuer der Bauern, nicht nur in Frankreich. Weniger als sechs Monate vor der Europawahl könnte dieser „Bauernaufstand“ starke Auswirkungen auf diese Wahl haben – das politische Chaos 2024 ist nicht nur vorprogrammiert, sondern hat bereits begonnen.

2 Kommentare zu Frankreichs Bauernaufstand

  1. Michael Magercord // 26. Januar 2024 um 10:16 // Antworten

    Die Olympiade dürfte von den Bauern nicht beeinträchtigt werden, sie fällt in die Erntezeit. Drum merke: Leg dich mit Bauern nie im Winter an.

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