Handzahmer Dialog – da haben die Politiker aber Glück gehabt

Im Rahmen des deutsch-französischen Ministerrats am 7. April in Metz trafen deutsche und französische Jugendliche die große Politik. Doch statt einer kontroversen Debatte gab es kaum mehr als einen höflichen Austausch.

Der französische Präsident fühlte sich bei so viel Jugend nicht so richtig wohl. Na ja, nett war's trotzdem. Irgendwie. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – War es die massive Präsenz der deutschen und französischen Politikprominenz, war es Höflichkeit oder war es vorauseilender Gehorsam? Vermutlich war es eine Mischung aus allem, die dafür sorgte, dass am Donnerstag das Zusammentreffen zwischen Angela Merkel, François Hollande und einem Dutzend deutscher und französischer Minister so harmonisch ablief – denn die aktuellen Reizfiguren speziell der französischen Politik (Myriam El-Khomi, Reform des Arbeitsgesetzes; Najat Vallaud-Belkacem, Schulreform; François Hollande, Gebietsreform; Manuel Valls, Flüchtlingspolitik etc.) hatten das Glück, dass ihnen all die Fragen nicht gestellt wurden, die ihnen die Jugendlichen in den „Nuit debout“-Camps sicher gerne gestellt hätten. Und so wurde aus der Gelegenheit zu einem wichtigen Dialog eine Wohlfühl-Veranstaltung, von der vermutlich niemand mehr mitnimmt als ein paar Selfies mit Prominenten.

Ja, sie waren zahlreich erschienen – Najat Vallaud-Belkacem, Jean-Marc Ayrault, Harlem Désir, Jean-Marc Todeschini, Patrick Kanner und Myriam El-Khomri, auf deutscher Seite Annegret Kramp-Karrenbauer, Michael Roth, Aydan Özoguz und Frank-Walter Steinmeier waren dabei und nahmen an den Runden Tischen mit den Jugendlichen teil. Was dann angesichts der handzahmen Fragen eine einfache Übung war. Stand zu Beginn dem einen oder anderen Minister noch Stress ins Gesicht geschrieben, entspannten sich die Züge minütlich, als die Politiker merkten, dass ihnen keine „harten“ Fragen gestellt wurden. Und mit dem Dialog war es dann endgültig vorbei, als François Hollande, Angela Merkel und Manuel Valls mit Prunk und Pomp ankamen. Republikanergarde, Abschreiten der militärischen Ehrenformation, Smalltalk mit der Presse – das Übliche.

Die Innenstadt von Metz war am Donnerstag wasserdicht von zahlreichen Polizeikräften abgesperrt, was natürlich nachvollziehbar und richtig ist, was aber gleichzeitig dafür sorgte, dass dieses Treffen zwischen der hohen Politik und deutschen und französischen Jugendlichen in einer Art Kokon stattfand – niemand protestierte gegen irgendetwas, man tat sich gegenseitig nicht weh und konnte gemeinsam so tun, als brodelte im Land gerade nicht so etwas wie der Auftakt zu einem neuen „Mai 68“ – die Problemthemen wurden ausgeklammert.

Doch wozu dient ein Dialog, der eigentlich gar kein Dialog ist? Oder anders gefragt – wie viel interessanter wäre ein Dialog zwischen den Jugendlichen von „Nuit debout“ und den gleichen Politikern gewesen? Und so bleibt das frustrierende Gefühl, dass wieder einmal eine Chance vertan wurde, in einen echten Dialog zu den wirklich wichtigen Fragen zwischen Jugendlichen und der Politik einzusteigen.

Die Veranstalter, das Deutsch-Französische Jugendwerk, das von der Stiftung „Fondation Entente Franco-Allemande“ unterstützt wurde, haben ihr Bestes gegeben. Keine Frage. Aber warum hat man in der aktuellen Situation nicht den Mut, sich mit der protestierenden Jugend auseinander zu setzen? Sich auch der Kritik zu stellen und die eigene Politik zu erklären und zu verteidigen?

Ein Lichtblick: Ein Jugendlicher forderte François Hollande auf, mehr Flüchtlinge in Frankreich aufzunehmen, diesen einen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt zu gewährleisten und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Der französische Präsident, bei dem man immer mehr das Gefühl hat, er sei gerade auf seiner eigenen Abschiedstournee, nickte und fand alles großartig. Angela Merkel auch. Manuel Valls nicht. Der stand gelangweilt im Hintergrund und hielt ostentativ Distanz zu François Hollande. Immerhin will er diesen 2017 als Präsident beerben. Und so fand dann in Metz statt eines echten Dialogs zwischen Jugend und Politik wieder einmal nicht viel mehr als politisches Kaffeesatzlesen statt. Schade, das war wieder einmal eine verpasste Gelegenheit.

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