Holland und Italien retten Europa

Unbemerkt von den Ländern, deren Bevölkerungen gerade mit offenem Mund beim Public Viewing sitzen, organisieren die Niederlande und Italien gerade Europas Zukunft. Beispielhaft.

Statt zum Public Viewing treffen sich Italiener und Holländer zu Europadebatten, wie hier vor dem Circus Maximus in Rom. Beispielhaft. Foto: Alessio Damato / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Natürlich war das kein Zufall. Die Tatsache, dass die Niederlande und Italien in diesem Jahr auf die Teilnahme an der WM in Russland verzichtet haben, ist ein Opfer für die Zukunft Europas. Denn anstelle des Public Viewing organisieren beide Länder eine Serie von öffentlichen Debatten, bei denen es um Vorschläge für eine bessere europäische Zukunft geht. Im Grunde genial – statt um Fußball geht es bei diesen Agora-Veranstaltungen um das, was wirklich zählt: unser aller Zukunft.

Mal ehrlich – die Niederländer mussten sich schon richtig Mühe geben, um sich in der Qualifikationsgruppe A nicht durchzusetzen. Dass man gegen Frankreich verlieren kann, geschenkt. Aber gegen Bulgarien? Das war gar nicht so einfach. Und Italien? Haben Sie eine Ahnung, wie schwer das war, ein Unentschieden gegen Mazedonien auf den Rasen zu zaubern? Ganz klar – beide Länder hatten sich abgesprochen, in diesem Sommer ernsthafte Europapolitik zu machen und dazu brauchten sie die Aufmerksamkeit ihrer jeweiligen Bevölkerungen.

Und so erlebt man in diesen Tagen das gleiche in Rom, Amsterdam, Florenz oder Rotterdam – Zehntausende Menschen versammeln sich und jubeln der europäischen Idee zu. Workshops, Podiumsdiskussionen, offene Debatten, da geht jedem Europafreund das Herz auf. Und dabei muss man den Niederländern und Italienern eines lassen: Sie haben ihren sportlichen Nationalstolz hinten angestellt, um unserem Kontinent eine echte Chance zu geben.

Wie peinlich, dass ausgerechnet der „europäische Motor“, also Deutschland und Frankreich, es nicht geschafft haben, diese italo-niederländische Initiative mitzutragen. Stattdessen gaben sich beide Länder richtig Mühe, sich für diese Skandal-WM in Putin-Russland zu qualifizieren, statt sich den Niederländern und Italienern anzuschließen und den Sommer zu nutzen, die Zukunft der EU zu organisieren. Ganz schön kleinkariert.

Der radikale Verzicht auf den Kick in Russland bietet für die Niederlande und Italien gleich mehrere Vorteile. Zum einen findet in beiden Ländern keine Debatte darüber statt, ob man diese WM boykottieren sollte oder nicht, zum anderen nutzen sie die Zeit, etwas wirklich Sinnvolles zu tun. Und – beide Länder können sich nun als der wirkliche Motor Europas präsentieren und wer weiß, ob sie nicht europäische Reformen initiieren können, während Merkel und Macron auf den Tribünen in Moskau, Sankt Petersburg oder Ekaterinenburg vor sich hin jubeln.

Die Teilnahme an den öffentlichen Europa-Hearing in den Niederlanden und Italien ist beeindruckend, wie alleine schon unser Artikelbild zeigt. Deutschland und Frankreich solltens ich schämen, dass sie auf die Karte „Brot und Spiele“ setzen, statt sich der niederländischen und italienischen Initiative anzuschließen.

Für die nächste WM, die zu Weihnachten 2022 in Katar in der Wüste stattfindet, sollte man das niederländisch-italienische Beispiel einfach kopieren. Public Discussions statt Public Viewing. Ein Beispiel, das Schule machen kann. Wir sind gespannt auf die neuen Europainitiativen aus Rom und Den Haag, die wir alle zusammen nach der WM entdecken werden. Bravo, Niederlande und Italien!

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