In Frankreich auch…

Die Proteste der Bauern finden nicht nur in Deutschland statt – auch in Frankreich greifen die Bauern nun zu radikaleren Aktionsformen. Stehen wir vor der Revolte der europäischen Landwirte?

"Keine Prämien, sondern (vernünftige) Preise" - die Forderungen der Bauern ähneln sich in ganz Europa. Foto: Croquant / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Bereits 2022 gab es die ersten, massiven und teilweise sogar militanten Proteste der Bauern in den Niederlanden. Dann starteten die beeindruckenden Aktionen der deutschen Bauern. Und nun auch die französischen Landwirte, die mit ähnlichen Aktionen wie die deutschen Kollegen auf ihre schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen hinweisen. Bei Toulouse wurde gestern die Autobahn A64 blockiert, aber auch bei Laval in der Mayenne sperrten Bauern mit ihren Traktoren Kreisverkehre und sorgten so für lange Staus.

Bei den Aktionen der französischen Bauern geht es ums nackte Überleben. Im Durchschnitt wirft ein französischer Bauernhof eine Rendite von 1,5 % ab, was extrem wenig ist und was zeigt, dass nichts schiefgehen darf, keine Unwetter die Ernte beeinträchtigen, keine Billigimporte die Marktpreise drücken, keine Einkaufszentrale die Preise senkt, denn dann sind die 1,5 % Rendite schnell weg und der Bauer hat das Jahr umsonst gearbeitet. Kein Wunder, dass die Anzahl Bauern in Frankreich ständig sinkt – werden jedes Jahr in Frankreich zwar 14.000 neue Bauernhöfe aufgemacht, werfen gleichzeitig 20.000 Bauern das Handtuch. Und dieses Phänomen beobachtet man in vielen europäischen Ländern.

Was die Bauern in den verschiedenen Ländern auf die Palme treibt, sind überall die gleichen Gründe. Zu geringe Marktpreise, die eben von den Einkaufszentralen diktiert werden, ein kaum noch überschaubarer Papierkram, den sowohl nationale wie europäische Behörden verlangen, ein ungerechtes Subventions-System, das die riesigen agro-alimentären Strukturen bevorzugt, während die kleinen Bauern, insbesondere die Bio-Bauern, oft in die Röhre schauen, da sie nicht die Kapazitäten für den Wust aus Anträgen, Schriftwechsel und Berichtspflichten mit den Behörden haben, denn speziell die kleinen Bauern arbeiten bis zu 60 Stunden pro Woche im Stall und/oder auf dem Feld und haben gar keine Zeit, sich richtig um die sich permanent ändernden Verwaltungsvorgaben zu kümmern.

Nur – wenn es immer weniger Bauern gibt, wenn wie in Deutschland immer mehr Bauern die Produktion von Nahrungsmitteln einstellen und dafür Mais für Biomasse-Kraftwerke anbauen, was wollen wir dann morgen essen? Etwa den billigen Mist, den wir im Rahmen von Freihandelsabkommen wie Mercosur aus Ländern beziehen, wo man es weder mit Verbraucher- noch mit Umweltschutz sonderlich ernstnimmt?

Die europäischen Institutionen sind zwar sehr stolz auf ihre „PAC“ (gemeinsame Landwirtschafts-Politik), doch die fördert häufig genau die Art der Landwirtschaft, von der wir uns eigentlich schrittweise lösen wollen. Den Löwenanteil an den europäischen Subventionen kassieren die landwirtschaftlichen Mega-Strukturen, die es sich eben auch leisten können, teure Experten mit der Abwicklung ihrer Förderanträge zu beauftragen und die folglich alles abgreifen, was es an Förderungen geben kann. Doch diese Mega-Strukturen sieht man natürlich nicht auf den Demonstrationen, die sich immer mehr ausweiten, was nachvollziehbar ist, denn diese Strukturen können sich über die PAC nicht beschweren.

Künftig muss die Landwirtschaft wohl anders subventioniert werden, wenn wir morgen nicht vor leeren Regalen stehen wollen. Dabei müssen landwirtschaftliche Riesenbetriebe anders bewertet werden als der kleine Bergbauer, der lokal und bio produziert und dabei mehr für landwirtschaftliches Gerät und Arbeitsprodukte bezahlen muss als ein Riesenbetrieb, der ganz andere Einkaufskonditionen hat. Dazu sollte die PAC den erklärten politischen Willen reflektieren, der da lautet, dass man die lokalen und biologisch produzierenden Höfe besser fördern will.

Die Frage, die sich nun stellt, lautet: „Wie kommen wir aus dieser Landwirtschafts-Krise wieder heraus?“. Die deutschen Landwirte haben bereits angekündigt, dass sie ihre Protestaktionen ausweiten wollen und es ist gut möglich, dass es auf europäischer Ebene zu einem Zusammenschluss der landwirtschaftlichen Protestbewegungen kommt. Bereits bei den ersten Aktionen der deutschen Bauern unterstützten französische Kollegen die deutschen Proteste, wobei Bauern aus dem Elsass auf die deutsche Seite kamen und Grenzübergänge und Zubringer blockierten.

So kurz vor der Europawahl am 9. Juni ist diese Entwicklung eine zusätzliche Belastung, denn im Narrativ der europäischen Institutionen ist die PAC einer der wenigen Bereiche, in denen Europa blendend funktioniert. Wer das behauptet, sollte einmal mit den demonstrierenden Bauern sprechen und sich anhören, wie deren Alltag aussieht…

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